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Zischup-Interview mit der Ärztin Aida Hanjalic-Beck

"Vernünftig bleiben und zusammenhalten"

  • Antonia Dern, Klasse 8b, Goethe-Gymnasium (Freiburg)

  • Do, 02. April 2020, 18:56 Uhr
    Schülertexte

     

Welche Auswirkungen hat das Corona-Virus auf unseren Alltag. Antonia Dern aus der 8b des Goethe-Gymnasium hat diese Frage der Freiburger Frauenärztin Aida Hanjalic-Beck Mitte März gestellt.

Aida Hanjalic-Beck   | Foto: Michael Bamberger
Aida Hanjalic-Beck Foto: Michael Bamberger
Zischup: Frau Doktor Hanjalic-Beck, Sie sind Frauenärztin in Freiburg und Expertin im Bereich künstlicher Befruchtung. Wie sieht Ihr üblicher Alltag aus?
Hanjalic-Beck: Wir behandeln Paare, die sich Kinder wünschen, aber keine bekommen können. Wir beraten diese Paare, führen aber auch die körperliche Untersuchung der Frauen sowie Ultraschall und umfangreiche Laboruntersuchungen durch. Zur Therapie müssen wir oft mit Medikamenten, die in den Hormonhaushalt eingreifen, das Reifen von Eizellen stimulieren. Um diese dann mit den männlichen Samenzellen außerhalb des Körpers künstlich befruchten zu können, werden diese regelmäßig durch kleinere Operationen sogenannte Punktionen in Narkose gewonnen und nach der Befruchtung wieder eingesetzt. In vielen Fällen kann so eine Schwangerschaft eingeleitet werden und den Paaren geholfen werden, ein Kind zu bekommen.

Zischup: Das Coronarvirus ist nun auch mit voller Wucht in Deutschland angekommen. Täglich steigen die Zahlen, und wir alle merken, wie das tägliche Leben beeinflusst wird. Wie beeinträchtigt das Coronavirus Ihr Praxisleben? Läuft alles uneingeschränkt weiter?
Hanjalic-Beck: Die Anzahl der Patienten hat sich noch nicht deutlich verringert. Nur einzelne Patienten haben ihre Termine abgesagt oder verschoben. Aber viele Patienten sind verunsichert und ängstlich.
Zischup: Man hört viel von Schließungen von Einrichtungen. Was müsste passieren, damit ihre Praxis geschlossen wird? Und wie würde es dann mit den begonnenen Therapien weitergehen?
Hanjalic-Beck: Die Praxis müsste geschlossen werden, wenn entweder das Gesundheitsamt eine Quarantäne verordnet oder wenn die Stadt beschließt, dass alle Menschen jetzt zu Hause bleiben müssen und nur lebensnotwendige Behandlung durchgeführt werden dürfen. Die begonnenen Therapien werden wir noch beenden, aber keine neuen beginnen.

Zischup: Wie hören ständig, wie wichtig Hygiene im täglichen Umgang ist. Gibt es spezielle Anweisung von den Behörden für Sie?
Hanjalic-Beck: Es gibt allgemeine Empfehlungen, wie man sich und die Patienten in der Praxis schützt – wie die regelmäßige Desinfektion und das Waschen der Hände, das Verzichten auf das Händeschütteln, Tragen von Mundschutz bei bestimmten patientennahen Tätigkeiten und das Einhalten eines Abstands. Daran halten wir uns auch - wie alle anderen Arztpraxen. Besondere Anweisungen gibt es, wie wir uns in gegenüber verschiedenen Risikogruppen verhalten sollen, und wann zum Beispiel ein Abstrich entnommen werden sollte.
Zischup: Sie sagten auch, dass man möglichst Abstand zu seinen Mitmenschen halten sollte. Können Sie das in Ihrer Praxis umsetzen?
Hanjalic-Beck: Wir versuchen die Zahl der Personen, die sich gleichzeitig im Wartezimmer aufhalten zu reduzieren. Wir haben unsere Patientinnen gebeten, derzeit alleine und ohne Begleitung (Kinder, Freundinnen, Verwandte) zu kommen. Wir nutzen auch verschiedene Wartezimmer damit nicht viele Menschen gedrängt nahe beieinander sitzen.

Zischup: Wenn man an den Apotheken vorbeiläuft, findet man oft auch Hinweisschilder, dass das Desinfektionsmittel und Masken ausverkauft sind. Ist die Versorgung bei Ihnen gesichert?
Hanjalic-Beck: Auch wir haben Probleme ausreichend Material zu bekommen. Wir haben jedoch in enger Zusammenarbeit mit Apotheken zumindest für die nächste Zeit ausreichend Händedesinfektionsmittel besorgen können. Sehr ärgerlich ist in diesem Zusammenhang, dass bei uns eine volle Flaschen Desinfektionsmittel von der Patiententoilette geklaut und der Behälter mit Leitungswasser aufgefüllt wurde. Das war nicht wirklich nett. Danach haben wir viele Desinfektionsspender abschrauben müssen, weil wir diese auch für unsere Patienten brauchen. Schließlich kann es passieren, dass Desinfektionsmittel nicht so schnell und leicht nachbestellbar ist.
Zischup: Apropos Nachbestellung: Man hört, dass in China viele Medikamente hergestellt und der Nachschub nicht gesichert ist. Haben Sie deswegen Probleme mit der Medikamentenversorgung ihrer Patienten?
Hanjalic-Beck: Vereinzelt haben wir Patientinnen, die tatsächlich ihre üblichen Medikamente nicht bekommen können. Aber in unserem Bereich besteht kein so großes Problem, wie bei den Hausärzten, die zum Beispiel nicht alle Blutdruckmittel verschreiben können.
Das größere Problem für uns stellt derzeit eher- wie bereits erwähnt - an Material wie Handschuhe, Schutzmasken, Kittel zu kommen.

Zischup: Viele ältere Menschen sind im Moment besonderes gefährdet. Wie sieht es mit schwangeren Frauen aus. Sind diese auch besonders betroffen? Haben Maßnahmen Auswirkungen auf das Kind?
Hanjalic-Beck: Nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft sind schwangere Frauen keine Risikogruppe. Aber auch Sie sollten trotzdem allgemeine Hygienemaßnahmen ergreifen. Es gibt zur Zeit keine Hinweise, dass das Virus dem ungeborenen Kind schaden kann. Aber natürlich werden wir erst in ein paar Jahren mehr wissen.
Zischup: Was ist in der nächsten Zeit aus Ihrer Sicht besonders wichtig?
Hanjalic-Beck: Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir in diesen besonderen Zeiten vernünftig bleiben und zusammenhalten, dann schaffen wir jede Krise.
Zischup: Vielen herzlichen Dank für das nette Gespräch. Alles Gute für die nächste Zeit!

Ressort: Schülertexte

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