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Zischup-Interview

"Rund 10.000 Leute nutzen mein Betriebssystem"

  • Amelie Helwig, Klasse 9a, Droste-Hülshoff-Gymnasium (Freiburg)

  • Fr, 26. April 2024
    Schülertexte

     

Luca Machiedo (15) hat in seinem Kinderzimmer sein eigenes Computer-Betriebssystem programmiert. Wie anspruchsvoll und spannend das ist, erklärt im Interview.

Luca Machiedo  | Foto: privat
Luca Machiedo Foto: privat
Zischup: Wann hast du gelernt, zu Programmieren?

Luca: Tatsächlich war ich damals zehn oder elf Jahre alt. Ich bin einfach an den Computer meines Vaters gegangen und habe ihn gefragt, wie man programmiert. Er hatte nicht wirklich Ahnung, von was ich rede. Ich suchte im Internet nach "Spiel programmieren". Das erste Youtube Video, welches ich dazu sah, war ein Java-Tutorial. Irgendwie schaffte ich es, auf dem Computer meines Vaters, Programme wie Eclipse zu installieren und bin einfach weiter den Tutorials gefolgt.

Zischup: Wann und wo hast du beschlossen, ein eigenes Betriebssystem auf die Beine zu stellen?

Luca: Angefangen damit habe ich im April 2023. Das war in meinem Kinderzimmer.

Zischup: Wie alt warst du zu diesem Zeitpunkt?

Luca: Ich war 14 Jahre alt. Ich wurde im selben Jahr jedoch 15, weshalb ich lieber sage, ich habe es mit 15 programmiert.

Zischup: Wie heißt dein Betriebssystem?

Luca: Es heißt "Ragnar". Der Name ist ziemlich zufällig. Damals verfolgte ich die Serie "Vikings" sehr stark. Der Hauptcharakter dort heißt "Ragnar Lodbrok".


Zischup: Was sind die Besonderheiten an diesem Projekt?

Luca: Es ist eine ziemlich große Sache. Es ist ein Betriebssystem, eine Sache, an der sehr viele Leute arbeiten können. Es ist ein Projekt von großer Natur. Man kann sich das so vorstellen, als wenn das, was Leute sehen, wenn sie beispielsweise in der Schule oder bei der Arbeit das Betriebssystem Windows benutzen, von mir programmiert worden wäre. Alles, was man sieht, sobald man das System startet, das heißt, der Startbildschirm oder auch einfach die Benutzeroberfläche an sich, konnte ich zustande bringen.

Zischup: Was hat dich dazu bewegt, so ein, in deinem Alter schon fast unmöglich machbares, Projekt zu erwägen?

Luca: Ich hatte zuvor immer Windows benutzt und verbrachte ziemlich viel Zeit am Computer. Da ist das Betriebssystem zu einem der Hauptdinge, die man täglich sieht und benutzt. Irgendwann hatte ich genug vom täglichen Gebrauch dieses Systems, da es für mich zu langsam war, immer so unfassbar viele Dinge im Hintergrund laufen und mich Microsoft im Generellen nicht sehr stark überzeugt. Einer der Hauptgründe für den Wechsel war für mich eine hohe Privatsphäre, welche mir bei anderen Systemen nicht ausreichend war. Ich wollte machen können, was ich will, ohne, dass eine große Firma mir immer über die Schulter gucken kann. Auch Schnelligkeit und Performance waren mir hier sehr wichtig.

Zischup: Wie unterscheidet sich dein Betriebssystem von anderen, wie zum Beispiel Windows?

Luca: Der Hauptunterschied ist, dass du sehr viel anpassen kannst. Nicht nur die Farben der Apps, sondern so, dass das Betriebssystem für jeden Menschen unterschiedlich aussehen kann. Du kannst das ganze System innerhalb von fünf bis zehn Minuten komplett verändern, so dass es unerkennbar zu anderen wird. Du hast zusätzlich volle Kontrolle über alles und bist der Pilot deines eigenen Systems. Das war mein Hauptargument beim Erstellen dieser Idee.

Zischup: Welche Vorteile liefert dein Betriebssystem für normale Nutzer im Alltag?

Luca: Wenn man es so sagen kann, habe ich dieses Betriebssystem gemacht für die Leute, die sich schon ein bisschen mit Konfigurationen und all diesen Dingen auskennen. Denn es ist nicht so, dass man eine App mit Reglern hat, sondern man muss dafür eine Konfigurationsdatei bearbeiten. Es gibt zwar bereits eine Wikipedia-Seite dafür, welche ich darüber geschrieben habe, um anderen einen Überblick über alle Möglichkeiten zu verschaffen, aber ideal ist es, ein bisschen Vorwissen von Programmierung zu besitzen. Wenn man sich aber nicht mit Programmieren auskennt, gibt es natürlich trotzdem Vorteile. Das Am-Computer-Sein kann sehr viel mehr Spaß im Alltag bereiten. Auch für die Gamer gibt es einen riesigen Vorteil. Dank der Minimalität des Betriebssystems ist die Performance im Gaming-Bereich sehr viel höher.

Zischup: Wie oft erhält man Updates, wenn man sich für dein System entscheidet?

Luca: Vorerst werde ich keine neuen Updates mehr machen. Das Betriebssystem ist so optimiert, dass du bereits alles hast, was du brauchst. Wenn ich neue Ideen habe, werde ich sie sicher hinzufügen, jedoch bin ich momentan so zufrieden, dass dies nicht unbedingt notwendig ist.

Zischup: Und wie viel kostet das Ganze so ungefähr?

Luca: Mein Betriebssystem ist völlig kostenfrei. Man kann es über meine Webseite herunterladen und installieren.

Zischup: Wie heißt deine Homepage genau?

Luca: Sie heißt ragnarwm.org. Meine Github-Seite kann man über github.com/cococry/ragnar aufrufen. Hier benutze ich übrigens den Künstlernamen "cococry".

Zischup: Was sagt dein Umfeld dazu, dass du ein eigenes Betriebssystem programmiert hast?

Luca: Wenn ich es Leuten erzähle, reagieren sie meistens ziemlich geschockt, dass ich mit 15 schon so ein Projekt zustande gebracht habe. Ich werde glücklicherweise sehr von meinem Umfeld unterstützt. Es wird als eher ungewöhnlich empfunden, da es etwas ist, was ihnen nicht jeden Tag widerfährt.

Zischup: Wie verbreitest du dein Projekt, wenn überhaupt?

Luca: Anfangs nutzte ich immer die App "Reddit", welche einen Ort darstellt, worauf man zu jeglichen Themen Posts hochladen kann. Das hat mir immer gut Werbung eingebracht. Auf Reddit konnte ich schon sehr viele Menschen mit meinen Ideen erreichen. Danach begann ich, Youtube-Videos darüber zu drehen, welche ebenfalls sehr gut ankamen. Auch auf Github, einer Internetseite für Programmierer, hat mir die Aufmerksamkeit der Leute nicht gefehlt. Auch meine eigene Webseite half mir dabei.

Zischup: Was hast du daraus gelernt?

Luca: Auf jeden Fall habe ich gelernt, ein besserer Programmierer zu sein, da es natürlich ein großes Projekt ist, im Sinne von Arbeit und Programmieren. Auch habe ich gelernt, wie man so ein Projekt zu den Menschen bringt und das Interesse dieser dafür bekommt. Das war sozusagen das erste Projekt, an welchem wirklich viele Leute beteiligt waren. Die Downloads gingen wirklich schonmal bis in die 50.000er Bereiche, was auf jeden Fall nicht wenig ist, da ich früher schon Projekte hatte, welche eher weniger Interesse erlangten. An diesem Punkt habe ich auf jeden Fall gelernt, wie man eine so viel größere Menge an Interessenten erreichen kann.

Zischup: Und wie viele Menschen benutzen dein Betriebssystem in diesem Moment? Gibt es dafür genaue Angaben?

Luca: Wie bereits erwähnt, haben es bereits rund 50.000 Leute heruntergeladen. Man kann leider nicht genau sagen, wie viele Benutzer es bisher hat, ich schätze jedoch etwa 10.000.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 26. April 2024: PDF-Version herunterladen

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