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"Hier wird es nie langweilig"

  • David Gehri, Klasse 9b, Wilhelm-August-Lay-Schule (Bötzingen)

  • Fr, 17. Dezember 2021
    Schülertexte

     

ZISCHUP-INTERVIEW mit Kerstin Kniesel, Sozialarbeiterin in der Justizvollzugsanstalt Freiburg, über ihren Arbeitsalltag .

Kerstin Kniesel  | Foto: Privat
Kerstin Kniesel Foto: Privat

Meine Mutter Kerstin Kniesel arbeitet im Sozialdienst der Justizvollzugsanstalt (JVA) Freiburg. Da die meisten Menschen wenig Einblick in den Gefängnisalltag haben, fand ich, David Gehri aus der Klasse 9b der Wilhelm-August-Lay-Schule in Bötzingen, dieses Thema interessant und möchte es gerne anhand eines Interviews vorstellen.

Zischup: Was ist deine genaue Berufsbezeichnung und welche Voraussetzungen muss man dafür mitbringen?
Kniesel: Ich habe Sozialarbeit an der Katholischen Fachhochschule in Freiburg studiert. Meine Berufsbezeichnung ist Diplom-Sozialarbeiterin (FH). Um an einer Fachhochschule studieren zu können, benötigt man Fachhochschulreife oder Abitur.

Zischup: Seit wann übst du diesen Beruf aus?
Kniesel: Ich arbeite seit März 2010 in der JVA Freiburg.

Zischup: Was findest du interessant an deinem Beruf?
Kniesel: Das Tolle an der Sozialarbeit ist, dass sie sehr vielfältig ist. Es gibt viele verschiedene Bereiche, in denen man arbeiten kann. Ich zum Beispiel habe früher in der offenen Jugendarbeit gearbeitet und habe mit meinem Kollegen gemeinsam ein Jugendzentrum geleitet. Es gibt aber auch andere Arbeitsgebiete für Sozialarbeiter, wie etwa die Suchthilfe, die Obdachlosenhilfe, die Jugendhilfe, die Arbeit mit älteren Menschen oder psychisch Kranken, in der Verwaltung und viele weitere Arbeitsfelder.

Zischup: Was genau machst du den ganzen Tag? Wie läuft dein Alltag ab?
Kniesel: Ich komme morgens in die JVA und hole mir im Postraum meine Arbeitsaufträge ab. Dann gehe ich in mein Büro, starte den PC und lese meine E-Mails. Wenn Inhaftierte ein Anliegen haben, schreiben sie mir einen Antrag und ich gebe ihnen dann einen Termin. Am Vormittag führe ich Gespräche mit Gefangenen und unterstütze sie in verschiedenen Belangen. Häufig unterstütze ich sie in schriftlichen Angelegenheiten mit Behörden, bei der Schuldenregulierung, in ausländerrechtlichen Angelegenheiten, aber auch im Kontakterhalt mit den Familien oder anderen sozialen Bezugspunkten. Für die Gefangenen bin ich Ansprechpartnerin und Kontaktperson in sehr verschiedenen Bereichen. Am Nachmittag finden häufig Konferenzen und Besprechungen statt. Ich arbeite mit verschiedenen Diensten in der JVA zusammen, wie etwa der Vollzugsleitung, den Vollzugsbeamten, den Psychologen und dem Werkdienst. Außerdem gehört es zu meinem Arbeitsalltag, verschiedene Berichte und Stellungnahmen für Staatsanwaltschaften und Gerichte anzufertigen. Es gehört auch zu meinen Aufgaben, Freizeitgruppen für Gefangene anzubieten. Es gibt aber auch andere Gruppenangebote, wie etwa die Vater-Kind-Gruppe oder das Anti-Gewalttraining, bei denen der Sozialdienst mitwirkt.

Zischup: Hattest du schon einmal Probleme mit Insassen?
Kniesel: Es kann durchaus mal zu Unstimmigkeiten mit Inhaftierten kommen. Jedoch hatte ich noch nie das Gefühl einer ernsthaften Bedrohung. Ich habe ein Personennotrufgerät bei mir, mit dem ich einen Alarm auslösen kann, und dann sind meine Kollegen sehr schnell zur Stelle. Zum Glück musste ich noch nie einen Alarm auslösen.

Zischup: Was war das Schlimmste, das in deiner Karriere passiert ist?
Kniesel: Am schwierigsten für mich ist das Überbringen von Todesnachrichten. Es passiert manchmal, dass Angehörige mich anrufen und darum bitten, den Inhaftierten über den Tod der Mutter, des Vaters oder sonstiger nahestehender Personen zu informieren. Das ist für mich nicht einfach, weil eine solche Nachricht immer schwer zu überbringen ist. Ich versuche dann, den Inhaftierten einfach menschlich zu begegnen, indem ich sie reden lasse und zuhöre oder sie einfach weinen lasse. Dabei muss ich auch auf meine eigenen Grenzen achten und mich nicht zu sehr einbeziehen lassen.

Zischup: Wie ist dein Verhältnis zu deinen Kollegen?
Kniesel: Wir sind ein sehr großes Team. Es arbeiten 17 Personen im Sozialdienst. Außerdem arbeite ich auch mit anderen Berufsgruppen, wie dem Vollzugsleiter, den Psychologen, Lehrern, Vollzugsbeamten, Werkmeistern und einigen anderen mehr zusammen. Insgesamt arbeiten etwa 300 Bedienstete in der JVA Freiburg. Mit einigen arbeite ich enger zusammen, mit anderen habe ich weniger Berührungspunkte. Im Allgemeinen unterstützen wir uns aber gegenseitig, was für ein gutes Betriebsklima sorgt.

Zischup: Was gefällt dir besonders an deiner Arbeit?
Kniesel: Dass sie sehr vielfältig ist, sich immer wieder neue Fragestellungen auftun und es so nie langweilig wird.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 17. Dezember 2021: PDF-Version herunterladen

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