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Neu im Kino

"Chantal im Märchenland" zeigt Grimm-Klischees den Mittelfinger

  • Weronika Peneshko (dpa)

  • Mi, 27. März 2024, 18:59 Uhr
    Kino

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Proletin Chantal aus "Fack ju Göhte" wird in "Chantal im Märchenland" ungewollt zu einer Prinzessin – mit gewohntem Assi-Flair. In der frauenfeindlichen Märchenwelt sorgt sie für Gerechtigkeit.

Plötzlich Prinzessinnen? Zeynep (Gizem Emre) und Chantal (Jella Haase)  | Foto: Gordon Timpen (dpa)
Plötzlich Prinzessinnen? Zeynep (Gizem Emre) und Chantal (Jella Haase) Foto: Gordon Timpen (dpa)
Fans der "Fack ju Göhte"-Filme haben allen Grund, sich zu freuen: Die bekanntesten Bildungsverweigerer und Möchtegern-Influencer Deutschlands kehren auf die Leinwände zurück – wenn auch in anderem Gewand. In "Chantal im Märchenland" versinkt die namensgebende Kult-Göre (Jella Haase) gemeinsam mit ihrer besten Freundin Zeynep (Gizem Emre) in einem magischen Spiegel und wird vor die Herausforderung gestellt, in einer frauenfeindlichen Märchenwelt für Gerechtigkeit zu sorgen.

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Um stumpfsinnigen Klamauk handelt es sich also, wie schon in den Vorgängerfilmen, nicht. Dieses Mal wird Kritik an tradierten Erzählungen geübt, mit denen vor allem Kinder konfrontiert werden. Chantal, die im Märchenland eine beschränkte Vorstellung von Geschlechterrollen am eigenen Leib erfährt, stellt fest: "Diese Opfermärchen vernebeln einem das Hirn!" "Chantal im Märchenland" stammt wieder aus der Feder von Regisseur und Drehbuchschreiber Bora Dagtekin.

Viel Liebe zum Detail

"Warum gucken wir uns den Märchenkanon genau so an? Weil er eben Dinge transportiert, die für uns in der heutigen Zeit nicht mehr relevant sind oder so nicht mehr funktionieren, die wir neu erzählen wollen", sagte die Berlinerin Jella Haase. Es geht um vermeintlich hilflose Prinzessinnen, harte Kerle und böse Hexen – all das, was in Märchen wie denen der Gebrüder Grimm transportiert wird, wird auf den Kopf gestellt. "Wir weisen auf wichtige Themen hin, aber nicht mit dem Zeigefinger, sondern mit dem Stinkefinger", so Haase.

In der Komödie, die eine klare moralische Haltung vertritt, steckt viel Liebe zum Detail. Es werden alle gleichzeitig emanzipiert – Frauen, Männer, Hexen – sogar ein Drachen wird von seiner Furcht einflößenden Funktion befreit. Auch, weil viele bekannte Märchen nebeneinander passieren, wirkt der fast zweistündige Film an manchen Stellen etwas übereifrig und überladen.
28. MÄRZ 2024

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Chantal und Zeynep knüpfen im neuen Film nicht da an, wo sie bei "Fack ju Göhte 3" aufgehört haben. Hier ist Chantal keine Journalistin und Zeynep keine Umweltretterin. Sie hängen an ihrer alten Schule herum und versuchen Content für die sozialen Medien zu finden – woraufhin sie einen abwertenden Kommentar von Zeki Müller (Elyas M’Barek) kassieren. Der 41-jährige Schauspieler hat einen kurzen Gastauftritt.

Ausgerechnet – Dornröschen

In der Märchenwelt tummeln sich Figuren wie die Prinzessin auf der Erbse, Aschenputtel und Aladin. Chantal wird ausgerechnet als Dornröschen wiedergeboren – kann sich mit ihrem Schicksal aber so gar nicht abfinden: "Wer will schon wachgefickt werden?", fragt sie erzürnt. Zeynep muss sich ziemlich schnell damit arrangieren, eine Hexe zu werden – "Chanti" nennt sie: "Habibi Blocksberg". Beim Zur-Hexe-Werden hilft ihr die anfangs schaurig wirkende Haupthexe des Films – gespielt von Nora Tschirner (42).

Anders als ihre Figur Chantal sieht Jella Haase soziale Medien auch kritisch. "Da muss man wirklich aufpassen und auf sich achtgeben", sagt die 31-Jährige. Ihr sei es wichtig, sich nicht ständig mit anderen zu vergleichen oder einem Ideal entsprechen zu müssen – auch wenn sie selbst davon nicht befreit sei. Trotzdem hat Chantal auch eine Vorbildfunktion für Haase, weil sie so ungefiltert handelt. Die Rolle erneut in diesem Märchenfilm zu spielen, sei für sie ein "Befreiungsschlag" gewesen – auch weil Chantal zu einer emanzipatorischen Heldin in Ritterrüstung und Highheels avanciert.

"Chantal im Märchenland" (Regie, Drehbuch: Bora Dagtekin). Läuft flächendeckend. Ab 12.

Ressort: Kino

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 28. März 2024: PDF-Version herunterladen

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Kommentare (2)

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Michael Seifried

354 seit 31. Dez 2018

Wem die Schrottgeschichte gefällt: Bitte schön! Bin gespannt, wann die Diskussion kommt Märchenbücher zu verbieten.

Detlef von Seggern

762 seit 11. Sep 2020

Geschmäcker sind verschieden. Wie überall im Leben. Warum auch nicht einmal diesen Film anschauen, welcher sicher der Zeit entsprechend, "gut" zurechtgemacht ist. Man muss sich nicht immer, auch Hollywoodstreifen anschauen, wo nur Mord und Todschlag, im Mittelpunkt stehen. Denn diese gibt es im realen Leben, zur genüge.


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