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Bericht: Große KZ-Gedenkstätten gegen Schüler-Pflichtbesuche

  • KNA

  • Di, 23. April 2024, 20:30 Uhr
    Deutschland

     

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Die Unionsfraktion möchte einen Besuch am historischen Ort der Nazi-Verbrechen und des Leids der Opfer für alle Schüler verpflichtend machen. Vertreter von Gedenkstätten sind dagegen.

Die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora in Thüringen  | Foto: Martin Schutt (dpa)
Die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora in Thüringen Foto: Martin Schutt (dpa)

Die meisten großen KZ-Gedenkstätten lehnen Forderungen der Unionsfraktion im Bundestag nach verpflichtenden Besuchen von KZ-Gedenkstätten für alle Schülerinnen und Schüler ab. Das berichtet die Welt unter Berufung auf eine eigene Abfrage.

Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, sagte: "Freiwilligkeit ist eine Grundvoraussetzung demokratischer und historisch-politischer Bildung." Hinter dem Ruf nach Pflichtbesuchen stecke manchmal die Vorstellung, dass Gedenkstätten "demokratische Läuterungsanstalten" seien. Die Forderung nach Pflichtbesuchen werde häufig "reflexhaft nach antisemitischen Vorfällen für Gruppen erhoben, von denen man fälschlicherweise annimmt, sie heilen oder immunisieren zu können".

Ein ehemaliges Konzentrationslager könne für junge Menschen eine emotionale Überforderung sein, die man niemandem aufzwingen sollte, sagte der für Sachsenhausen und Ravensbrück zuständige Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Axel Drecoll. "Die Erfahrung zeigt, dass Zwang häufig ablehnende Haltungen eher verstärkt." Auch Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, setzt auf Freiwilligkeit.

In Bayern ist der Besuch für Gymnasiasten und Realschüler verpflichtend

Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, sieht das anders. In Bayern ist der Besuch einer Gedenkstätte für Gymnasiasten und Realschüler verpflichtend. "Wir machen hier sehr gute Erfahrungen mit einem in den Lehrplänen integrierten obligatorischen Besuch von Schülerinnen und Schülern." Die Leiterin der Gedenkstätte Bergen-Belsen, Elke Gryglewski, sagte, sie befürworte, dass möglichst viele Menschen eine Gedenkstätte besuchen könnten. "Dabei wünsche ich mir, dass die Besuche unter Bedingungen stattfinden, die Lernprozesse real ermöglichen." Zwangsbesuche seien dazu nicht geeignet.

Die Welt hatte Mitte April über einen Bundestagsantrag der Unionsfraktion berichtet, in dem die Bundesregierung aufgefordert werde, "gemeinsam mit den Ländern darauf hinzuwirken, dass alle Schülerinnen und Schüler in Deutschland verpflichtend mit ausführlicher Vor- und Nachbereitung mindestens einmal im Laufe ihrer Schulzeit eingebettet in den Unterricht ein ehemaliges Konzentrationslager der NS-Diktatur besucht haben".

Ressort: Deutschland

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Kommentare (2)

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Heinz-Jürgen Schlag

4385 seit 21. Jul 2012

Das ist mir ein Vorletzter Kommentar heute wert.

Der Besuch einer Stätte des Grauens sollte eine Pflicht sein. Aber im Geschichtsunterricht muß dieser gut vorbereitet werden.

So kindliche verletzbar sind deren Seelen nicht, die derbe Filme oder auch Videospiele kennen. Auch die Bilder des Krieges sind schlimm.

Die Massenmorde an Juden und Gegnern des Nazisystems sind mit nichts zu vergleichen und deshalb: " JA " zu Besuchen der Gedenkstätten.

Also Aufnahme in den Geschichtsunterricht.

Heinrich Franzen

11568 seit 24. Feb 2010

Man muß das Für und Wider abwägen. Ich halte es, Erinnerungsstätten auf mich wirken zu lassen, innezuhalten, nachzudenken. In Hamburg an der Wandse wandernd, bog ich oft zu einer KZ-Gedenkstätte ab, die fast vergessen an ein KZ-Außenlager des Drägerwerks Lübeck gemahnt. Unkundige wüßten mit den zwei verschränkten David-Sternen wenig anzufangen. Yad Vashem, Bergen-Belsen, Struthof, hielten die Erinnerung an das Schreckliche, von Deutschen verübte wach. Frühes groß empfundene ändert sich mit dem Größer werden.
Als ich zuletzt im KZ Flossenbürg weilte, berührte mich vor dessen Krematorium dieses Empfinden unangenehm. Statt nur zu gedenken ging es mir wie heute Herrn Scholl, ich rechnete, verwarf es aber zum Glück.
Vor Wochen fragte ich mich angesichts der Russenschelte, warum wir den 27. Januar (Befreiung Auschwitz durch Russen) als Holocaust- Gedenktag begehen und die Befreiung Bergen Belsens nicht als Tag gewählt haben, wo doch die Engländer so viel überzeugender und glaubwürdiger sind mit ihrer Informationsbereitstellung als die Russen.
Das alles läßt mich von dem Bayernplan Abstand nehmen, weil statt Betroffenheit Gegenrechnen eintreten kann. Was ist "schon" eine 1:1 Erinnerungsstätte, wenn man später den Golm in Swinoujsciescie besteigt, den Schutt und Gebeine der späten Kriegsgeschädigten bilden. Oder die versteckte Gedenkstätte nahe Neustadt/Holst., die die vielen toten Juden ins Gedächtnis ruft, die 5 Tage vor Kriegsende durch Briten-Bomben starben
Fact and Story dazu


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