fudder fragt nach
Aidshilfe-Mitarbeiter: Wie geht’s und wie geht’s jetzt weiter?

Fr, 23. Oktober 2020 um 10:57 Uhr

Andreas Fahrhöfer Foto: privat
Andreas Fahrhöfer ist studierter Sozialarbeiter und Sozialpädagoge. Bei der Aidshilfe Freiburg arbeitet der 31-Jährige seit 1 1/2 Jahren. Er berät bei zu Themen der sexuellen Gesundheit, zu Testmöglichkeiten und möglichen Risikosituationen. Außerdem ist er Berater im Checkpoint Freiburg – hier können Ratsuchende auf sexuell übertragbare Krankheiten und Hepatitis-Impfungen getestet werden und einen HIV-Test machen. Fahrhöfer berät und unterstützt außerdem insbesondere Menschen mit HIV.
Andreas Fahrhöfer, wie geht es Ihnen?
Ich würde sagen, gemischt: Es wechselt von immer mal wieder gut zu deprimiert und frustriert, was natürlich mit Corona zusammenhängt. Ich habe gute und schlechte Tage. In meinem Leben ist viel weggebrochen wie Urlaub und Freizeitveranstaltungen, wobei ich mich daran schon fast gewöhnt habe. Mich belastet es, dass ich mich nicht mehr so einfach mit Freundesgruppen treffen kann. Ich vermisse gemeinsame Erlebnisse und verspüre eine große Ungewissheit.
"Sex ist ein menschliches Grundbedürfnis, das wir nicht verteufeln wollen, deswegen geben wir auch keine Empfehlungen ab. "
Wie ordnen Sie die aktuellen Entwicklungen ein?
Ich bin noch relativ optimistisch, was die Einschränkungen angeht. Wir werden weiterhin Freiheiten haben und ich hoffe, dass uns kein Lockdown bevorsteht. Insgesamt bin ich ein bisschen gelassener als in der Corona-Anfangsphase. Trotzdem beschäftigt mich der Gedanke, dass uns das alles noch lange begleiten wird. Beruflich und privat zu planen, ist gerade ganz schwierig. Die Aidshilfe musste mehrere Veranstaltungen absagen – unter anderem die Jubiläumsausgabe des Ball Verqueer – jetzt überlegen wir uns Alternativen.
Wie haben Sie die letzten Monate verbracht?
Zur Zeit des Lockdowns fanden bei uns keine persönlichen Termine statt. Ich war ich teilweise in Kurzarbeit und bin dann von Mai bis Juli mit reduzierten Arbeitszeiten wieder im Büro der Aidshilfe präsent gewesen. Die persönlichen Termine konnten wir ab Mai schon wieder anbieten. Wir hatten trotzdem erst mal weiterhin Kurzarbeit bis Juli, weil weniger los war als früher. Ich fand es eigentlich ganz nett, zwei Tage die Woche frei zu haben, um Sachen im Haushalt oder andere Dinge zu erledigen. Ich habe mit Freunden Kontakt über Chats und Videokonferenzen gehalten, das hat auf jeden Fall zugenommen. Im Checkpoint, unserer Test- und Beratungsstelle, kam dann bald das alte Arbeitstempo wieder.
fudder fragt nach
fudder möchte in dieser Serie junge Menschen aus Freiburg und der Region vorstellen und sie fragen, wie es ihnen in der Krise geht. Dabei möchte die Redaktion einen Querschnitt der Gesellschaft zeigen. Seit Mai 2020 stellen wir regelmäßig eine Folge von "Wie geht’s und wie geht’s jetzt weiter?" online.
- Übersicht: Alle Folgen der fudder-Serie
Der Checkpoint bietet Beratung zur sexuellen Gesundheit an, wie hat Corona die Arbeit beeinflusst?
Zur Zeit des Lockdowns hatten wir alle Testangebote und Beratungstermine der Aidshilfe komplett eingestellt. Wir waren telefonisch ansprechbar und haben auch via Zoom Termine wahrgenommen. Ab Mai gab es dann wieder die Sprechstunden und Vororttermine, allerdings nur nach Terminvereinbarung und unter strenger Einhaltung aller wichtigen Regeln und Maßnahmen.
Das war auch eine Entlastung für uns, da es im Checkpoint immer einen riesen Andrang gab und gibt. Früher konnte man beim Checkpoint zu den offenen Sprechstunden kommen, das geht jetzt nicht mehr. Wir klären vorher telefonisch, ob ein HIV-Test wirklich notwendig ist. Auch jetzt sind die Termine vier bis sechs Wochen im Voraus ausgebucht. Wir mussten alles entzerren und die Termine weiter auseinander legen, damit sich Personen bei uns nicht begegnen.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram anEin Beitrag geteilt von AIDS-Hilfe Freiburg (@aidshilfefreiburg) am Okt 21, 2020 um 6:11 PDT
Mit welchen Fragen kommen die Menschen aktuell zu Ihnen in die Sprechstunde?Es ist fast schon lustig, aber einige Leute rufen bei uns an und fragen nach Corona-Tests – weil man den Checkpoint durch die HIV-Tests kennt. Das ist natürlich nicht der Fall. Ansonsten haben sich die Fragen nicht groß geändert: Es geht um sexuelle Gesundheit und Schutz vor Infektionen sowie Testwünsche. Zu unserem Angebot gehört auch der HIV-Schnelltest, den man anonym und innerhalb von 30 Minuten machen kann.
Sind Menschen mit HIV durch Corona besonders gefährdet?
Die Informationslage dazu ist noch nicht ausreichend. Es gibt noch viele offene Fragen, da Daten fehlen. Aktuell wird dazu noch viel untersucht und forscht. Wie für alle Menschen gilt auch für Menschen mit HIV, dass man die Maßnahmen einhält, um sich vor Corona zu schützen: Händewaschen, Maske tragen, körperlicher Abstand und Reduzierung sozialer Kontakte. Die wichtigsten Infos findet man auf der Website der Deutschen Aidshilfe. Im Februar war mal in den Schlagzeilen davon die Rede, dass HIV-Medikamente das Coronavirus hemmen könnten, das ist aber sehr fraglich und nicht erwiesen.
Checkpoint Freiburg
Beratung zur sexuellen Gesundheit: Aktuell gibt es im Checkpoint nur noch Terminsprechstunden. Am besten vorab telefonisch (07 61 / 1 51 46 64 44) oder per Mail (team@checkpoint-freiburg.de) einen Termin vereinbaren.
Website: checkpoint-freiburg.de
Checkpoint Freiburg
Berliner Allee 29
79110 Freiburg
Mit dem Coronavirus kann man sich überall anstecken, wo Menschen in engen Kontakt kommen. Also auch beim Sex. Gibt es Empfehlungen für das Sexleben?
Bei der Aidshilfe geht es oft um das Thema Sexualität und der Schutz vor sexuell übertragbare Infektionen wie HIV ist nach wie vor unser Auftrag. Sex ist aber auch ein menschliches Grundbedürfnis, das wir nicht verteufeln wollen, deswegen geben wir auch keine Empfehlungen ab. Wenn die Menschen Sex haben, sind wir für sie da und stehen ihnen mit Infos und Beratung zur Seite. Uns ist wichtig, dass wir auch während der Pandemie das Angebot aufrechterhalten.
Deutsche Aidshilfe: Infos zu Corona & HIV
Wie kommen Sie generell mit der Krise zurecht?
Am Anfang der Pandemie war ich relativ gelassen. Ich habe versucht, so optimistisch wie möglich zu sein. Nach drei bis vier Monaten ging meine Stimmung dann runter. Im Sommerurlaub bin ich mit meinem Partner nicht verreist, sonder drei Wochen zuhause geblieben. Das war sehr gemütlich, wir haben viel Zeit im Garten verbracht. Seitdem ist es eine Achterbahnfahrt: Meine Stimmung steigt und sinkt. Ich habe das Gefühl, es gibt gerade keine Konstante, ständig ändert sich wieder was. Ich frage mich, wie es weitergeht und wie man am besten mit allem umgeht. Und ich bin gespannt, wie der Winter wird.
Was haben Sie in der Zeit der Pandemie wichtiges gelernt?
Dass man sich immer darauf einstellen muss, dass so etwas kommt, auch in der Zukunft. Und das wir uns überlegen sollten, welche Vorkehrungen wir treffen, damit uns so etwas nicht wieder so stark trifft. Ich denke an Distanzwahren und Maske tragen. Im öffentlichen Leben könnten wir davon das ein oder andere gerne beibehalten, ich finde es sehr angenehm, nicht mehr dicht an dicht in der Straßenbahn stehen zu müssen. Rücksichtnahme und Solidarität sind hohe Güter für unsere Gesellschaft, das ist mir bewusst geworden.
Wie geht’s jetzt weiter?
Ich bin in ständiger Erwartung auf eine positive Entwicklung, zum Beispiel durch einen Impfstoff oder Behandlungsmöglichkeiten, die eine Covid-Erkrankung erleichtern. Bei der Aidshilfe arbeiten wir momentan so wie in den letzten Wochen: Wir nutzen die großen Räume für Beratungen, halten Abstand, lüften häufig und tragen Mundschutz. Unser Team bleibt weiterhin im Gespräch, wie wir unsere Arbeit an die aktuellen Entwicklungen anpassen können.
- Verschoben: Der Ball Verqueer findet 2021 nicht statt