Hilfe in der Krise
6 Tipps zum Umgang mit lockdownbedingter Einsamkeit

Mo, 01. Februar 2021 um 11:59 Uhr

Ein guter Schlafrhythmus ist wichtig, um gut durch die Krise zu kommen Foto: Elizabeth Lies (unsplash.com)
Kräftezehrende Monate liegen hinter uns, voller politischer Hängepartien, Planungsunsicherheiten, Geldsorgen und sozialer Isolation. Zunehmend werden die Corona-Maßnahmen als belastend empfunden – Angst, Depressivität und posttraumatische Belastungsstörungen gehören zu den psychischen Folgen. Um dies vorzubeugen und auch für die kommenden Herausforderungen gewappnet zu sein, empfiehlt es sich, die psychischen Widerstandskräfte nochmal zu mobilisieren und möglichst aufrechtzuerhalten. fudder-Autorin Tina Turban hat mit drei Freiburger Psychologinnen und Psychologen gesprochen und die wichtigsten Tipps für euch zusammengetragen, um euch ein emotionales Aufrüsten zu erleichtern.
Sozialer Kontakt gehört zu den existenziellen Grundbedürfnissen des Menschen. Werden wir aus einem sozialen Gefüge ausgeschlossen, dann bereitet das "sozialen Schmerz", der im Gehirn wie physischer Schmerz verarbeitet wird. "Soziale Interaktionen bewirken ein Belohnungsgefühl durch Dopaminausschüttung. Die Gehirnregionen, die auf Dopamin reagieren, lösen dann bei sozialer Isolation ein Gefühl der Einsamkeit aus", so Romy Schwarz, Psychologin in der psychosomatischen Ambulanz der Uniklinik Freiburg, die sich in ihrer Masterarbeit mit dem Thema Einsamkeit beschäftigte. Der umgangssprachlich "Glückshormon" genannte Neurotransmitter wird aber auch bei virtueller Interaktion ausgeschüttet.
Meditation verlangt Disziplin und Durchhaltevermögen – doch es lohnt sich. Bereits eine kurzzeitige Achtsamkeitsmeditation hat nachweislich positive Effekte: "Regelmäßiges Meditieren hilft, sich mit der derzeitigen Situation anzufreunden, die dadurch erlangte Offenheit führt zur Nichtbewertung und zur generellen Akzeptanz. Dies unterstützt dabei, negative Gefühle zu reflektieren und ziehen zu lassen", erklärt Ralf Berchtold, Psychologe in der Abteilung psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Uniklinikum Freiburg.
Dabei sind laut einer von der "National Academy of Sciences of the USA" veröffentlichten Studie bereits nach fünf Tagen täglicher Meditation für eine Dauer von 20 Minuten Wirkungen feststellbar. Aber: "Meditation ist auch kein Allheilmittel, wer unter schweren Depressionen leidet, der muss sich professionelle Hilfe suchen", so der Freiburger Psychologe.
Jeder kennt das gute Gefühl nach dem Sport – der baut nicht nur Stress ab, sondern macht auch nachhaltig zufriedener: "Beim Sport werden vermutlich Dopamin, Serotonin und Endorphine ausgeschüttet, dadurch wird unsere Stimmung positiv beeinflusst und unser Grundgefühl verbessert", so Sylvester Maschat, ebenfalls Psychologe am Freiburger Uniklinikum. Dabei sei im Moment insbesondere Flexibilität gefragt; trotz der lockdownbedingten Schließungen gebe es viele Möglichkeiten zur sportlichen Aktivität. So bieten etwa auch Sportvereine Online-Kurse oder einzelne Home-Workouts an.
Dabei hat Sport noch einen weiteren positiven Effekt: "Zu den Dingen, die uns resilient, also psychisch widerstandsfähig machen, gehört eine interne Kontrollüberzeugung, also das Gefühl, des Selbst-in-den-Händen-Haltens", sagt Romy Schwarz. Die Maßnahmen führen bei uns zu einem Gefühl des Kontrollverlusts. Dem kann Bewegung entgegenwirken – mit Sport gewinnen wir ein Stück Selbstkontrolle zurück, wir beeinflussen unser eigenes Empfinden unmittelbar.
Oft verwenden wir viel Energie darauf, einfach nur auszuhalten, zurecht zu kommen, standhaft zu bleiben. "Was oft Erleichterung verschafft, ist, seinen Gefühlen aktiv Ausdruck zu verleihen", erklärt Ralf Berchtold. Für einige mag das durch Musikmachen gehen, andere malen ihre Stimmung oder finden bereits Erleichterung darin, mal traurig sein und weinen zu dürfen. "Besonders eignet sich Tagebuchschreiben", meint Sylvester Maschat; "Dadurch werden belastende Gedankenkreise externalisiert und strukturiert, was Abhilfe verschaffen kann."
Soziale Isolation wird als Stress empfunden – im Schlaf wiederum werden Spannungen und Stress abgebaut sowie Verarbeitungsprozesse angestoßen. Folglich sind wir mit einem gleichmäßigen Schlafrhythmus emotional stabiler und insgesamt resilienter. Was eine gute Schlafhygiene fördert, erklärt Sylvester Maschat: "Wichtig ist, den Körper mit regelmäßigen und möglichst gleichförmigen Abendritualen auf den Schlaf vorzubereiten, etwa Lesen vor dem Zubettgehen. Auch sollte man möglichst zur gleichen Zeit Schlafengehen und Aufstehen, auch am Wochenende. Die Schlafqualität lässt sich ganz unkompliziert mit dem Installieren von Blaufiltern auf den technischen Endgeräten verbessern."
Es ist bequem, sich in dieser entbehrungsreichen Zeit der Passivität hinzugeben und selbstmitleidig zu werden. Schwieriger ist es, sich eine positive Haltung zu bewahren und aktiv Freude und Dankbarkeit in Alltagsdingen zu suchen und zu finden. Aber Krisen bergen auch neue Chancen, so haben die meisten von uns heute viel Zeit übrig, die kreativ genutzt werden kann, sich auszuprobieren, ein Stück neu zu finden und weiterzuentwickeln. Menschen sind anpassungsfähig und mit den Worten des Schweizer Schriftstellers Max Frisch: "Krise ist ein produktiver Zustand. Man muß ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen." Um das Gefühl der Steuerungsfähigkeit und Selbstkontrolle zurückzugewinnen müssen wir aktiv werden, nach neuen Hobbys oder Möglichkeiten, sich zu engagieren suchen. Es lohnt sich und kann uns emotional gerüstet auch durch die kommenden Wochen und Monate bringen.