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Interview

Warum Lo-Fi so beliebt als Hintergrundmusik fürs Lernen ist

Florian Schmieder
  • Mo, 18. März 2024, 20:30 Uhr
    Panorama

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Stundenlang laufen auf Youtube langsame Songs, es knackt und rauscht. Viele Menschen nutzen Lo-Fi-Musik zum Lernen. Für Musikwissenschaftler Clemens Wöllner ist der Trend Teil einer größeren Bewegung.

Musikwissenschaftler Clemens Wöllner Foto: M. Laisney
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BZ: Herr Wöllner, Hi-Fi galt lange Zeit als das Maß aller Dinge bei Radios und Fernsehern. Was ist denn nun Lo-Fi-Musik?
Wöllner: Von den Ursprüngen her können wir uns Lo-Fi als eine Art Retrobewegung vorstellen. Die schier unendlichen Möglichkeiten der digitalen Musikproduktion werden dabei zur Seite geschoben. Es erinnert an die analogen Formen des Musikproduzierens wie in den 70er-Jahren und will die ästhetischen Effekte von damals wieder aufnehmen. Das wird dadurch erreicht, dass gewisse Ungenauigkeiten drin sind. Im Klangbild sind das Effekte wie Rauschen oder schlichtweg der Verzicht auf aufwändige Nachbearbeitungen und Klangfilter.

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BZ: Warum machen die Interpreten das?
Wöllner: Das hängt zusammen mit Nostalgie, der Suche nach dem Ursprünglichem, Authentischen, Unverfälschten. Das passt gut in die generelle Retrobewegung, die wir seit Jahren beobachten. Bei physischen Tonträgern wird ja wieder ein Drittel auf Vinyl verkauft. Es ist eine Art analoge Gegenbewegung. Das Paradoxe ist, dass es oft eigentlich Hi-Fi ist mit dem Anschein, wie Lo-Fi wirken zu wollen.

"Es ist eine Art analoge Gegenbewegung."

BZ: Welche Musikstile sind für Lo-Fi besonders geeignet?
Wöllner: HipHop ist sicher der bekannteste Stil für Lo-Fi. Er passt sehr gut, weil er diese langsamen Beats ohnehin schon oft hat. Es gibt aber auch Bestrebungen, auch bei anderen Genres viel stärker darauf zu setzen, dass Musik nicht komplett zusammengestückelt und stark nachbearbeitet ist. Zum Beispiel im Folk-Rock, Indie-Rock und anderen Indie-Genres, deren Fans Wert auf Authentizität legen.

Clemens Wöllner ist Musikwissenschaftler an der Hochschule für Musik Freiburg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie.


BZ: Wo sind die Ursprünge von Lo-Fi?
Wöllner: Erste Bestrebungen gab es schon in den 80er-Jahren, da gab es wirklich tolle Effektmaschinen und man hat sich gefragt, was ist eigentlich die Klangästhetik, die wir bei populärer Musik anstreben. Auch in der zeitgenössischen Kunstmusik hat man sich spätestens Ende der 90er Gedanken gemacht, etwas Post-Digitales zu schaffen. In diese Zeit vor der Jahrtausendwende fallen Sprüche wie "The Digital Revolution is Over". Das haben die zeitgenössischen Komponisten in der Kunstmusik aufgegriffen und versucht, bewusst Fehler mit einzubauen in digitale Musikdarbietungen. Sie haben mit Filzstiften auf CDs geschrieben, um ein Stottern zu erzeugen. Das war eine bewusste Fehlerästhetik, damit die Musik nicht perfekt digital läuft. Man fühlte sich bereits im postdigitalen Zeitalter. Das ist bis zu einem gewissen Grad auch bei Lo-Fi der Fall.

BZ: Wie hat sich Lo-Fi seither entwickelt?
Wöllner: Seit etwa acht bis zehn Jahren findet man die Musik sehr häufig auf Internetportalen wie Youtube. Es ist ein Phänomen, das deutlich zugenommen hat.

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BZ: Wer hört Lo-Fi?
Wöllner: Gerade auf Youtube gibt es eine Community, die vermutlich eher jünger ist. Die Videos sprechen Menschen an, die sehr viel lernen müssen und das sind eben Studierende sowie Schüler und Schülerinnen. Das passt auch zur Vorliebe überhaupt von HipHop. Aber die Retrobewegung umfasst verschiedene Altersgruppen. Man muss im Alltag nicht ständig lernen müssen, um Lo-Fi zu mögen.

BZ: Warum nutzen viele Lo-Fi-Musik zum Lernen oder Entspannen?
Wöllner: Die Musik ist gut geeignet, um im Hintergrund zu laufen. Sie hat oft keinen Text und keine eingängigen Melodien, die ablenken können. Es ist wie ein kontinuierlicher Fluss. Manchmal wird sie auch einfach nur verwendet, um andere Geräusche auszublenden. Lo-Fi zeichnet sich durch relativ ruhige, langsame Beats aus. Im HipHop ist die normale Beatrate viel niedriger ist als bei anderen Genres.
"Die Musik ist gut geeignet, um im Hintergrund zu laufen."

BZ: Lässt sich der Nutzen von Lo-Fi wissenschaftlich belegen?
Wöllner: Es gibt in der Forschung keine abschließenden Befunde die sagen, dass Hintergrundmusik per se schlecht oder gut ist. Die Musik, die Hörenden und das Umfeld beziehungsweise die Aufgaben müssen zueinander passen. Wenn eine Studie herausfindet, dass langsame, repetitive Hintergrundmusik gut ist, um sich eine abstrakte Folge von Buchstaben zu merken, kann man daraus nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass jede Art von Musik für alle Menschen zum Lernen geeignet sei. Dabei möchte ich betonen, dass die Wirkung von Musik generell am stärksten ist, wenn man sich auf sie einlässt. Wenn man sie also nicht nur im Hintergrund hört, sondern etwa bewusst zehn Minuten vor dem Lernen. Dann kann Musik dazu beitragen, dass man fokussierter ist oder mit mehr Freude an die Sache herangeht.

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BZ: Wie wird sich Lo-Fi in den kommenden Jahren entwickeln?
Wöllner: Manchmal gibt es Strömungen, die einen gewissen Nerv der Zeit treffen und dann auch wieder verschwinden. Das HipHop-Phänomen mit den langsameren Beats entwickelt sich aber seit vielen Jahrzehnten relativ stabil. Ebenso beobachten wir schon seit langem, dass Musik im Hintergrund gehört wird und Atmosphäre erzeugen soll. Insofern könnte ich mir durchaus vorstellen, dass Lo-Fi noch mehr Popularität erlangen wird, gerade mit Blick auf die Retrobewegung.

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Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 19. März 2024: PDF-Version herunterladen

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Kommentare (1)

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Walter Liebermann

12 seit 20. Jan 2024

Es reicht nicht, daß in der Popmusik nur noch Einheitsbrei mit dem immer gleichen softwaregestützt erzeugten Einheitsgenöle produziert wird. Jetzt müssen auch noch alte Klassiker verhunzt werden.
"Musik im Hintergrund zum Atmosphäre erzeugen".
Ja, das gibt es auch schon lange. Ist Lounge Musik extra für diesen Zweck komponiert. Ist aber nicht mutwillig verhunzt. Von irgendwelchen Nichtskönnern, die Geräusche hinzufügen und sich dann irgendwie wie Musiker fühlen.


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