Account/Login

"Zeichen für eine Krise"

  • Fr, 03. Mai 2019
    Schülertexte

     

Ausstellungskurator Florian Flömer über Übersinnliches, seine Arbeit und was es ab Frühjahr im Freiburger Museum für Neue Kunst zu sehen gibt.

Florian Flömer  | Foto: privat
Florian Flömer Foto: privat
Kurator? Schon mal gehört? Paula Philipp, Schülerin der Klasse 8a des Mülheimer Markgräfler-Gymnasiums, hat Florian Flömer dazu interviewt. Er war der Kurator der Ausstellung "To Catch a Ghost", die bis Ende März im Museum für Neue Kunst zu sehen war.

Zischup: Was macht ein Kurator?
Flömer: Die Arbeit eines Kurators ist sehr vielfältig und gar nicht leicht in Kürze zu beschreiben. Im Zentrum der Arbeit stehen natürlich die Ausstellungen, die in regelmäßigen Abständen im Museum gezeigt werden. Diese haben in der Regel ein bis zwei Jahre Vorbereitungszeit, manchmal auch länger. In dieser Zeit gilt es, alles Nötige in die Wege zu leiten, um am Ende eine gelungene Ausstellung zeigen zu können. Das bedeutet nicht nur die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Fragen der Ausstellung und welche Kunstwerke gut dazu passen, sondern auch eine Menge praktischer Fragen, etwa nach Sockeln, Stellwänden, und benötigter Technik. Wichtig für den Kurator sind vor allem die Restauratoren und Handwerker, die auch zum Team des Museums gehören. Aber auch mit den Designern, die sich um die Gestaltung der Drucksachen, wie die Poster und Ausstellungs-Flyer, kümmern, gilt es sich abzusprechen. Gibt es noch einen Katalog zur Ausstellung, muss auch dieser vom Kurator umgesetzt werden. Ich glaube, ein guter Kurator ist jemand, der es versteht seine eigenen Ideen in einem großen Team umzusetzen und es schafft, viele verschiedene Probleme und Fragen gleichzeitig zu lösen.
Zischup: Seit wann sind Sie Kurator und wie wird man Kurator?
Flömer: Ich bin seit einem Jahr am Museum für Neue Kunst in Freiburg. Vorher habe ich an unterschiedlichsten Museen und Institutionen Projekte und mehrmonatige Praktika gemacht, um mich auf den Beruf vorzubereiten und an der Universität gelehrt. Davor habe ich Kunstvermittlung, Kunstwissenschaft und Freie Kunst studiert. Der klassische Weg Kurator zu werden, wenn es so was gibt, ist tatsächlich das Studium der Kunstgeschichte oder Kunstwissenschaft. Es gibt auch immer mehr Studiengänge, die sich auf die Ausstellungspraxis spezialisieren. Das ist aber kein Muss. Die wichtigste Voraussetzung, um Ausstellungen zu machen, ist die Leidenschaft für die Kunst und ein gewisses organisatorisches Geschick. Wer für die Kunst brennt und ein Verständnis für das Präsentieren von Kunst hat, kann auch ohne eine akademische Ausbildung hinter sich zu haben, großartige Ausstellungen machen.

Zischup: Wie kommt man auf die Idee, eine solche Ausstellung zu konzipieren?
Flömer: Uns hat vor allem eines gereizt: die Frage nach der Präsenz des Unheimlichen in der heutigen Gesellschaft. Warum gibt es zum Beispiel so viele gruselige Filme und Serien, die sich mit Geistern oder dem Übersinnlichem beschäftigen? Wir glauben, dass die Auseinandersetzung mit dem Übersinnlichen ein Zeichen für eine Krise ist, die wir gerade in vielen Bereichen unserer Kultur erleben. Unsere Ausstellung soll einerseits einen tiefen Einblick in die Sammlung des Museums bieten, aber auch unsere Faszination für das Unheimliche und Gespenstische verdeutlichen. Mit dem Gruseln geht ja auch eine gewisse Lust einher.

Zischup: Hat es Ihnen großen Spaß gemacht?
Flömer: Die Auseinandersetzung mit der Sammlung des Museums hat mir großen Spaß gemacht. Ich kannte die Bestände bis zu meiner Anstellung gar nicht und bin immer wieder überrascht gewesen, welche Schätze sich im Depot des Museums verborgen hielten.

Zischup: Was ist für Frühjahr und Sommer geplant?
Flömer: Im Frühjahr werden wir eine Ausstellung mit Werken wiederum aus der eigenen Sammlung und der Sammlung Grässlin aus St. Georgen zeigen und zwar unter dem Titel "Freundschaftsspiel. Sammlung Grässlin : Museum für Neue Kunst". Das "Freundschaftsspiel" ist eine Reihe von Ausstellungen, in der jetzt zum dritten Mal eine private Sammlung eingeladen wird, gemeinsam mit uns eine Ausstellung zusammenzustellen. Die Sammlung Grässlin ist trotz der abgeschiedenen Lage im Schwarzwald international vernetzt und beherbergt eine Reihe von großartigen Werken der 1980er Jahre von Martin Kippenberger, Albert Oehlen und Georg Herold aber auch jüngere Künstler wie Kalin Lindena und Michael Beutler. Das Highlight der Ausstellung wird sicherlich die Arbeit "The Library for the Birds of Antwerp" von dem amerikanischen Künstler Mark Dion sein, die unter anderem mit lebenden Prachtfinken ausgestattet ist. Im Spätsommer werden wir mit Hermann Scherer einen waschechten Expressionisten zeigen, der einer der wichtigsten und einflussreichsten deutschen Künstler der 1920er Jahre war. Hier werden wir eine Reihe von Gemälden zeigen, aber auch bisher nicht ausgestellte Zeichnungen und Druckgrafiken aus dem Nachlass des Künstlers.

Fotos zum Aktionstag im Museum für Neue Kunst unter http://mehr.bz/geist

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 03. Mai 2019: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel