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Um die Welt, bis das Geld ausgeht

  • JuZ-Mitarbeiter Simon Bischofberger

  • Do, 17. Juni 2004
    Zisch

     

Zwei junge Freiburger schufteten, bis sie 6000 Euro zusammen hatten - und erfüllten sich den Traum von der Weltreise.

Vermutlich hat ihn jeder: diesen großen Traum, die weite Welt zu erkunden, unterschiedliche Kulturen kennen zu lernen und das Paradies zu suchen. Wir auch. Max Friedrich, ein alter Schulfreund, und ich saßen ewig vor dem Globus im Reisebüro und dachten uns allerlei Reiserouten aus. Mit 6000 eisern zusammengesparten Euros wollten wir los, einmal um die Welt, und so lange bleiben, bis uns das Geld ausgehen würde.

Im September ging es los. Nach achteinhalb Stunden Flug in Thailand angekommen, bahnten wir uns am Flughafen bei tropischer Hitze einen Weg vorbei an Hotelmanagern, die uns in ihrem Hotel unterbringen wollten, Taxifahrern und Händlern denen wir widerstehen konnten - und standen plötzlich überwältigt in den Straßen von Bangkok. Wir konnten vor Gestank kaum atmen und so ein gewaltiges und chaotisches Verkehrsaufkommen hatten wir noch nie erlebt.

Ampeln schienen nur zur Dekoration am Straßenrand zu stehen, die Hupe wurde öfter bedient als der Blinker - so einer vorhanden war -, und in den Bussen wurden Fenster zu Türen. Nichts, was Thailänder nicht auf ihren Mopeds transportierten: Bepackt mit Hühnern, Markteinkäufen, Teppichen und fünf Kindern oben drauf kurvten sie halsbrecherisch durch die Autoschlangen. Auf den riesigen Märkten boten Händler gegrillte Hühnerfüße und Katzen als Delikatesse an, dazu undefinierbare Innereien, Schnitzereien, Ramsch und wunderschöne exotische Blumenkränze.

Beeindruckend und erschreckend zugleich war in Bangkok die große Kluft zwischen Arm und Reich. Limousinen mit verdunkelten Scheiben neben klapprigen Mopeds, pompöse Hochhäuser, die hinter einer Hängematte an einer Straßenkreuzung aufragten, Slums neben vergoldeten Tempeln und unter dreistöckigen Autobahnen, Würfelspiele auf dem Bordstein vor einem Golfplatz mitten in der Stadt. Diesen wahnsinnigen Unterschied so zu Gesicht zu bekommen war hart. Nach dem anfänglichen Kulturschock bleibt uns Bangkok aber vor allem als eine chaotische Stadt mit wunderschönen Tempelanlagen und riesigen Märkten in Erinnerung.

Schwer waren die ersten zwei Wochen auch aus einem ganz anderen Grund: Wir wachten morgens auf, ohne Termine zu haben oder den Tag verplant zu wissen. Die Zeit schien stehen zu bleiben, die Tage wurden endlos und wollten nicht vorübergehen. Wir fragten uns, ob wir uns da nicht zu viel zugemutet hatten. Allmählich aber gewöhnten wir uns an das neue "Zeitgefühl" und konnten es von da an richtig genießen.

Zum Beispiel drei Tage Robinson-Leben. Wir ließen uns von einem Fischer auf eine einsame Insel bringen und am schönsten Strand absetzen. Wir grillten Hähnchen über dem Lagerfeuer und kochten Kaffee, in ausrangierten Coladosen. Tagsüber war unsere Insel das Paradies: Die Sonne spiegelte sich im 28 Grad warmen, türkisblauen Wasser, am Strand hüpften Affen auf den Palmen und warfen Kokosnüsse runter und im Meer tummelten sich neongelbe Doktorfische. Nachts jedoch machten wir kein Auge zu und ich möchte nicht wissen, was für tierische Nachbarn wir in diesen Nächten hatten.

Nach drei unglaublichen Monaten in Thailand ging unsere Reise weiter per Schiff von Malaysia nach Medan im Norden Indonesiens - mit der Erwartung, ein kleines Dorf anzutreffen. Stattdessen fanden wir uns inmitten einer 13 Millionenmetropole wieder. Bilder aus der Dritten Welt hatten wir natürlich schon gesehen - als Realität war das Ganze noch schockierender. Die Menschen stapelten ihre Marktware auf der Straße und der Abfall wurde über die Schulter geworfen. Die Stadt als Müllhalde - und etwa so roch es auch. Auch nach zwei Stunden Busfahrt sahen wir noch die Slumbaracken an den Straßenrändern. Die Indonesier sind relativ kleine Menschen, von denen doppelt so viele in dem alten kleinen VW-Bus mitreisten als Sitzplätze vorhanden waren. Die Fahrt dauerte fünf Stunden - am Ende hatte ich steife Knie und musste meinen Sitznachbarn aufwecken: Der hatte es sich an meiner Schulter bequem gemacht. Irgendwie kann man sich mit vielen Situationen arrangieren, wenn man einander freundlichen Respekt erweist.

Wir kamen schließlich am Lake Toba an und verbrachten Weihnachten bei einer Deutschen, die dort mit ihrem indonesischen Mann ein Hotel betreibt. So kamen wir am anderen Ende der Welt in den Genuss von Plätzchen, Kartoffelsalat und "Oh, du fröhliche". Eine Familie lud uns in ihr Dorf ein. Die Kinder schauten uns mit großen Augen an und wollten uns berühren, weil sie noch nie einen Weißen gesehen hatten. Sie probierten ihr Schulenglisch aus und waren stolz, als eine kleine Unterhaltung entstand.

Wir liefen mit unseren Rucksäcken durch die Straße - eine Menschentraube im Schlepp. Ein Mann kam mit seiner Gitarre, spielte für uns ein Volkslied und auf der Straße entwickelte sich ein Fest. Jeder wollte uns zum Essen einladen und unsere Gastgeber prahlten, dass wir bei ihnen übernachteten. Wir wurden mit unglaublicher Großzügigkeit versorgt und schliefen inmitten einer Traube von Kindern auf dem Fußboden. Nachts wurde eine Decke durchgereicht und jeder benutzte den anderen als Kopfkissen.

Mit diesen Eindrücken setzten wir uns in Singapur in den Flieger nach Cairns, im Nordosten Australiens, wo wir uns einen Campingbus kauften - den wir sechs Wochen später nach langer Fahrt über den Pacific Highway die Ostküste runter - in Sydney weiterverkauften. Immer am Meer entlang, durch die Wüste und vorbei an Kängurus realisierten wir, dass für uns ein Traum wahr geworden war. In "Surfers Paradise" erstanden wir ein Surfboard und wurden vom Surffieber gepackt - das uns nicht mehr losließ. Morgens ging es raus in die Wellen zum Surfen, abends schauten wir todmüde zu, wie die Würste auf dem Grill brutzelten und genossen die herrlichsten Sonnenuntergänge.

Drei Wochen wohnten wir bei meiner alten Gastfamilie in Sydney, bei der ich in der elften Klasse im Austausch war: ein riesiges Wiedersehen mit den Gastbrüdern und mit den Freunden - sogar ein eigenes Zimmer mit eigenem Bett und Bad und abends gemütlich auf dem Sofa liegen und ein Video schauen. Die Familie hatte ein kleines Fischerboot und so tuckerten wir durch den Hafen, fischten unter der Harbour Bridge und vor dem weltberühmten Opera House - oft gab es dann abends frisch gefangenen Fisch auf dem Grill. Die unkomplizierte Art der Australier machte es uns leicht, uns heimisch zu fühlen - in einer der schönsten Städte der Welt. Der Abschied fiel uns dann verdammt schwer, doch die traumhaften Inseln des Fidschi-Archipels erwartete uns: eine Inselgruppe von 360 Inseln mit traumhaften Südseestränden inmitten des pazifischen Ozeans. Hier fanden wir kleine Inselchen wie "Bounty Island" oder "Treasure Island", die man in zehn Minuten umrunden kann, überaus freundliche Leute und eine beeindruckende Vulkanlandschaft. Eine fröhliche Art zeichnet die Insulaner aus, obwohl auch sie mit einer Menge Problemen wie Armut und Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben.

"Wir lauschten dem Rauschen der Wellen und des Windes in den Kokospalmen."

Natürlich waren wir auch in Fidschi kaum aus dem Wasser zu kriegen und beim Schnorcheln sahen wir Korallen wie bizarre Mondlandschaften. Wir glitten schwerelos dahin und begegneten Riesenschildkröten und Fischen in den grellsten Farben. Abends am Strand, lauschten wir dem Rauschen der Wellen und des Windes in den Kokospalmen und philosophierten über uns und unser kleines Dasein im Kosmos und dachten, welch schöne Plätze es doch auf dieser Erde gibt.

Manchmal fuhren wir mit einem Fischer 20 Minuten hinaus aufs Meer, wo sich die Wellen an einem Riff brachen. Das Wasser war dort kaum zwei Meter tief und wenn wir oben auf der Welle standen, konnten wir unten die bunten, scharfen Korallen blitzen sehen - und machten uns fast in die Hose. An unserem letzten Tag wurden wir dort draußen von einem Sturm überrascht und der Pazifik schwappte mit meterhohen Wellenbergen immer wieder in unser Boot. Wir mussten uns an der Rehling festhalten um nicht hinausgeworfen zu werden und unser Fischer musste schon sein ganzes Können aufbringen, um uns in seiner Nussschale heil wieder an Land zu bringen. Unsere Knie waren ein paar Tage später noch immer zittrig von diesem Erlebnis.

In den USA gab's das Kontrastprogramm zu Fidschi. Von den armen Inseln kamen wir in ein Land, wo man sein Geld zeigt, sofern man welches hat. Und wir merkten es auch sofort an unserem Geldbeutel, dass es gut war, die USA als letzte Station gewählt zu haben, denn so konnten wir ungefähr unser Rückflugdatum einschätzen. Kurz gesagt, das Geld lief uns hier nur so unter den Fingern weg und so traten wir drei Wochen später den schweren Weg an den New Yorker Flughafen an. Nicht zu neuen Paradiesen, sondern nach Hause sollte die Reise jetzt gehen. Im Gepäck hatten wir alle Eindrücke: die Kluft zwischen Arm und Reich, unvorhergesehene Situationen, Begegnungen mit den verschiedensten Leuten - und auch, über lange Zeit auf einander angewiesen gewesen zu sein. Unser Fazit? Nachahmung dringend empfohlen! Denn wie heißt es so schön? Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum.

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 17. Juni 2004: PDF-Version herunterladen

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