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Zischup-Schreibwettbewerb Frühjahr 2016

Theater träumt Zukunft

  • Lea Trautner, Klasse 9a, Theodor-Heuss-Gymnasium & Freiburg

  • Mo, 30. Mai 2016, 10:48 Uhr
    Schreibwettbewerb Zischup

     

Lea Trautner aus der Klasse 9a des Theodor-Heuss-Gymnasiums in Freiburg träumt sich in ihrem Text die Zukunft auf die Bühne. Ihre Gedanken nehmen Gestalt an und haben viele interessante Dinge zu erzählen!

"Wie kann man die Zukunft denken?", frage ich mich, in der ersten Reihe sitzend. "Was tust du, wenn du die Zukunft denkst"?, frage ich die große, schwarze, leere Bühne vor meinen Augen, laut und direkt. Ein kräftiger Windstoß weht eine modern aussehende Frau auf das Fensterbrett. Elegant überschlägt sie die Beine und zückt ein Klemmbrett und einen Kugelschreiber: "Ich sage dir alles, was du für die Zukunft wissen musst", entscheidet sie für mich. Gerade will sie sich voller Engagement in der Bühnenmitte platzieren, da trifft ein weiteres Windgebilde in Form einer kleinen Windhose ein. Ein verrückt aussehender junger Mann mit dunklem, verzaustem Haar und Taschenrechner in der Hand landet unsanft im Zentrum der Bühne. Obgleich sie an der Rückwand des schwarzen Klotzes landet, steht sie genauso bereit da wie er. Bereit um den Vortrag zu beginnen.

Ein helles Räuspern. Plötzlich, von einem kleinen Lüftchen getragen, schwebt eine zierliche Person mit schulterlangen Haaren durch das Fenster, geradewegs vor meine Augen. "Schau mal, da fliegt sie. Die Zukunft", piepst sie bestimmt. "Jede vergangene Sekunde könnte doch die letzte Zukunft gewesen sein, oder?" Ich stutze. "Ja?" "Ja", bestätigt sie und redet weiter. "Sie steht unmittelbar bevor und ist in einer Sekunde schon wieder gewesen. Sie ist alles, was noch kommt. Von diesem Moment an, der ja schon beinahe wieder vorbei ist, bis hin zu …" Fragend werde ich angeschaut. "B …b …bis zu allem, was noch kommen wird…?" "Genau. Man lebt praktisch zwischen dem Vergangenem und dem, was auf einen zukommt. Dazwischen liegt die Gegenwart, abhängig, eingekesselt von Vergangenheit und Zukunft. Manchmal hat man Lust gegen die Zukunft zu protestieren, richtig?" "Richtig", antworte ich sofort. "Dankbar können wir sein, dass wir sie haben. Ohne sie würde nämlich das ganze Prinzip der Zeit nicht funktionieren."


"Oh …", mache ich nur. Denn im nächsten Augenblick hat offenbar die blonde Frau ihren Platz unter den aufleuchtenden Scheinwerfern gefunden. "Ich bitte um Aufmerksamkeit! Hier kommt dein Plan für eine gute Zukunft: Es ist dir über lassen!" Sarkasmus schwingt stark in ihrer Stimme mit, dennoch spricht sie weiter. Jedoch ist alle Engagiertheit von ihr abgefallen, wie eine Schutzschicht. "Was ist meine Zukunft?", fragt sie unvorbereitet in den hallenden Raum. "Wo ist mein Platz in der Welt? Soll ich jetzt schon planen, was ich studieren und wo ich leben möchte?" Unsicherheiten streifen den Klang ihrer Wörter. "Oder soll ich erst einmal die anstehenden Klausuren überstehen? Und das Abitur natürlich?" Das Echo der Räumlichkeiten trägt ein dumpfes, aber "Jeder hat wohl seine eigenen Vorstellungen, was die Zukunft betrifft" zu uns herüber.

"In meiner Zukunft werde ich mir gleich im Café nebenan einen Kaffee und ein Schokocroissant gönnen, wenn die Show hier weiter so uminformativ ist", drohe ich. Doch da wird sie auf einmal präzise und scheint an Selbstbewusstsein gewonnen zu haben: "Für die Zukunft muss sich am Ende jeder selbstständig ein Ideal festlegen, ein Leben, das man leben möchte. Diese Maßstäbe wachsen durch Erfahrung und Träume, denke ich. Man muss seine eigenen Interessen finden. Glasklar, dass nur die Glücksschweine ihr Hobby zum Beruf machen können. Mit Sicherheit hoffen alle Individuen darauf, dass sich die Welt entfaltet, so wie das irgendein Schicksal entschieden hat – ein Schicksal, das man natürlich mit Rosa-Herzchen-Brille auf der Nase für sich erhofft. Auf Glück hofft jeder. Orientiere dich, heißt es immer. Und verliere deine Träume nicht aus den Augen!"

Ich schaue sie direkt an. "Ja", sage ich, "Es wird festgelegt, dass es zu laufen hat. Während die Waage zwischen ’Du lebst nur einmal’ und ’Denke und plane vorausschauend’ die Balance halten muss." Nachdem Sie den Blickkontakt abgebrochen hat, schaut sie betreten zu Boden. "Trotzdem steht immer wieder klar in Raum, dass man nie weiß, ob nicht gleich der Off-Button des Lebens gedrückt wird." Plötzlich verschafft sich der mit der Sturmfrisur Aufmerksamkeit, in dem er auf einen Tisch klettert. Er ruft: "Die Zukunft der Menschheit! Wo liegt sie? Werden Astronauten ferner gelegene, anders dimensionierte Planeten erforschen? Oder wird die dicht besiedelte Großstadt so tief wie hoch gebaut werden, bloß weil die Nachfrage nach dem Wohnen immer größer wird?" Die Frage ziert seinen Blick, der aus dem Fenster schweift und das Panorama der Innenstadt zeigt, sowie vereinzelt kleine Parks.

"Die Nation des Planeten Erde, die ins Weltall aufbricht, um auf neuen Planeten zu siedeln!" schwärmt er und gestikuliert wild mit den Händen in Richtung des inzwischen ausgeprägten Nachthimmels. "Oder noch besser", er schaut begeistert in die Runde, "könnte nicht zu jeder Zeit, an jedem Ort ein Zeitreisender auftauchen, und einen in eine zukünftige Raumstation für Umwelt und Nachhaltigkeit beamen?! Klingt das nicht fantastisch?" "Es kommt nicht umsonst vom Wort "Fantasie", werfe ich ironisch ein. Doch er lässt sich nicht beirren und plappert weiter. "Die Erde in drei Milliarden Jahren eine Wüste!? In fünf Milliarden Jahren ein Eisplanet mit 200 Grad Celsius unter Null!? Wie wir vergehen …" Von einer Sekunde auf die andere wird er still und lässt sich auf dem Tisch nieder "Eine ganze Spezies, gespalten und doch eine Einheit, die gemeinsam wieder schwindet."

"Du hast Recht", sage ich mitfühlend und tätschle ihm den Arm. "Aber ohne Zukunft, keine Entwicklung. Und ohne Entwicklung, keine schlaue Menschheit …fertig. Das ist das Leben." "Ja, aber aus dieser Perspektive nimmt man plötzlich die Größe aktueller Probleme gar nicht mehr wahr und fragt sich um so mehr." Verstörung zeigt sich auf seinem Gesicht. "Warum nicht die gesamte Menschheit in Frieden leben kann", hakt er nach. "Warum kann sie sich die Zukunft nicht auf lange Zeit schön gestalten. Alle wissen doch, dass alles kommt und geht. Fehlt ihnen etwas? Der Weitblick vielleicht?"

Alle zucken im gleichen Moment die Schultern und ich merke, wie meine Augen leicht flattern. Ein Mann in blauem Overall steht vor mir. "Entschuldigen Sie. Ich bitte Sie jetzt, den Bühnenraum zu verlassen." "Ja, klar", lache ich verlegen, während ich bereits rausgehe. An der Tür drehe ich mich noch einmal um und schmunzele. Vom Theater war ich wohl dazu gebracht worden "Zukunft denken" zu träumen. Wow, ich hatte ein Thema geträumt. Hier sollte ich zukünftig immer herkommen, wenn ich eine Schreibblockade habe. Wenn auch nur in Gedanken.

Ressort: Schreibwettbewerb Zischup

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