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Katholische Kirche

Reform des kirchlichen Arbeitsrechts: Keine Kündigung bei Scheidung oder Homosexualität mehr

  • kna & dpa

  • Di, 22. November 2022, 19:41 Uhr
    Deutschland

     

Homosexuelle Partnerschaft oder zweite Ehen sollen bald kein Kündigungsgrund mehr für Angestellte in katholischen Einrichtungen sein. Das Erzbistum Freiburg hatte diesen Vorschlag unterstützt.

Die persönliche Lebensführung soll  im Beruf keine Bedeutung  haben.  | Foto: Adobe
Die persönliche Lebensführung soll im Beruf keine Bedeutung haben. Foto: Adobe
Viele Mitarbeitende in katholischen Einrichtungen in Deutschland müssen ihrem Arbeitgeber künftig keine Rechenschaft mehr über die private Lebensführung ablegen. Die deutschen Bischöfe beschlossen am Dienstag eine weitreichende Liberalisierung des kirchlichen Arbeitsrechts für die rund 800.000 Beschäftigten: Eine homosexuelle Partnerschaft oder eine zweite Ehe gelten demnach nicht mehr als Kündigungsgrund. "Explizit wie nie zuvor wird Vielfalt in kirchlichen Einrichtungen als Bereicherung anerkannt", teilte die Deutsche Bischofskonferenz mit.

Viel anderes blieb den Bischöfen wohl gar nicht mehr übrig. Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller nennt die Bistumschefs "Getriebene der staatlichen Arbeitsgerichte, die ihnen die bisherigen Instrumente der arbeitsrechtlichen Sanktionierung, insbesondere mit Blick auf die persönliche Lebensführung längst aus der Hand geschlagen haben". Die "lange Zeit kirchenfreundliche Rechtsprechung" sei durch die europäischen Gerichte ausgebremst worden.

Caritas spricht von Paradigmenwechsel

Die religionspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestags-Fraktion, Lamya Kaddor, begrüßte einen "wichtigen Schritt hin zu einem inklusiven, fairen und zeitgemäßen Arbeitsrecht". Ihr Kollege Thomas Rachel (CDU) sprach von einem "Fortschritt" und "mehr Rechtssicherheit".

Die Caritas als größter katholischer Arbeitgeber sieht einen "Paradigmenwechsel" und lobte längst überfällige Reformen. "Ich gehe nun davon aus, dass Kontrolle und Sanktionierung von Mitarbeitenden im kirchlichen Dienst an diesem Punkt Vergangenheit sind", sagt auch die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp. "Stattdessen übernimmt die Kirche selbst die Verantwortung dafür, dass die Institution als christlich wahrgenommen wird. Dieser Paradigmenwechsel ist wichtig", so Stetter-Karp.

Bistümer müssen die Empfehlungen umsetzen

Offen ist, ob die neue Grundordnung nun unmittelbar in allen Diözesen umgesetzt wird. Zwar hat die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschland die Neuordnung mit erforderlicher Mehrheit beschlossen – er ist aber nur eine Empfehlung. Die konkrete Umsetzung jedoch liegt bei den Ortsbischöfen in den 27 Diözesen. Erst dann sind die Regeln rechtswirksam.

Aus einigen Bistümern kamen dazu bereits Rückmeldungen. In Münster, Trier, Paderborn, Aachen und Hamburg etwa sollen die neuen Bestimmungen zügig in Kraft treten.

Auch das Erzbistum Freiburg dürfte einer Reform offen gegenüber stehen, schließlich haben Erzbischof Stephan Burger und die beiden Weihbischöfe Peter Birkhofer und Christian Würtz beim vierten Synodalforum im September einem entsprechenden Vorschlag zugestimmt. Andernorts fällt die Reaktion verhaltener aus. Das Erzbistum Köln erklärte, den Beschluss und dessen konkrete Umsetzung zunächst prüfen zu wollen.

Schon bei der letzten Reform des Arbeitsrechts 2015 gab es weitgehende Zustimmung unter den Bischöfen, jedoch auch einige Gegenstimmen. So hatten die Bischöfe von Eichstätt, Passau und Regensburg der Neuordnung zunächst, anders als in den übrigen 24 deutschen Diözesen, nicht umgesetzt.

"Ich hätte mir mehr Mut gewünscht" Rainer Teuber
"Spannend wird sein, wie man die Diskrepanzen zwischen der Lehre, wonach praktizierte Homosexualität Sünde sei, und der Grundordnung der Kirche – sie bleibt der rechtlichen Bewertung entzogen – aushalten wird", sagte der Bochumer Arbeitsrechtler Jacob Joussen dem Bonner General-Anzeiger.

Verhalten äußerte sich die Initiative #OutInChurch, die die öffentliche Debatte um das kirchliche Arbeitsrecht zu Jahresbeginn maßgeblich angestoßen hatte. Die Neuordnung sei "bestenfalls ein Teilerfolg", sagte Rainer Teuber von der Steuerungsgruppe. Zwar werde vielfältige sexuelle Identität nicht mehr als Kündigungsgrund angesehen, zugleich spreche der Text aber weiterhin von einem binären Modell von Mann und Frau. Auch die kirchenfeindliche Betätigung, die künftig einzig als Kündigungsgrund gelten soll, sei offen für Interpretationen, so Teuber. Gerade für Mitarbeitende im pastoralen Dienst blieben Rechtsunsicherheiten bestehen. "Ich hätte mir mehr Mut gewünscht", sagte er.

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Ressort: Deutschland

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