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Neues vom Wutz im Garten

  • Madeleine Arens & Carolin Feldmann

  • Do, 11. April 2002
    Zisch

     

Verloren hat, wer zu Hause bleibt: Die Spontanschauspieler der Gruppe Theater L.U.S.T. sind auf der Bühne unschlagbar.

Hunger auf Spiegeleier und keine Eier im Haus? Die Improvisationskünstler der Gruppe Theater L.U.S.T. retten sich aus jeder kniffligen Situation. Das Publikum im Freiburger Theatercafé liefert die Themen, spielt Jury und wirft Bonbons. Wie bei einem großen Spiel zählt dabei nur der Spaß - und den haben vor allem die Zuschauer.

Otto K. erwacht mitten in der Nacht. Heimgesucht von der Einsamkeit packt den Verzweifelten der Heißhunger nach Spiegeleiern. Dies ist weiter noch nichts Besonderes. Doch der Knackpunkt ist: Otto K. hat leider keine Eier. Aber der Mann auf der Bühne weiß sich zu helfen. Kurzerhand schmeißt er zwei arglose Mitschauspieler in die Pfanne. Ihr Los ist es, zuckend auf dem Tisch zu brutzeln und zu braten. Dafür hagelt es erstmal Bonbons aus den begeisterten Publikumsreihen.

Wer an diesem Abend das Theatercafé besucht, wird mit Schauspielkunst der besonderen Art verwöhnt: "Theatersport". Mit grenzenloser Kreativität meistern Schauspieler hier knifflige Situationen. Spontan und ausgefallen müssen die Darsteller der Theater L.U.S.T.- Gruppe auf Themenvorschläge aus dem Publikum reagieren. Denn es gibt kein festes Programm, sondern wie bei einem Spiel zählt nur der Spaß. Damit das Ganze aber nicht in ein heilloses Durcheinander ausartet, werden dem Publikum erstmal ein paar Spielregeln erklärt. Die sechs Spaßvögel auf der Bühne bilden zwei Mannschaften: die Blauen und die Gelben. Da "fair vorgeht", werden auch kurzerhand die Sympathien des Publikums auf zwei Fanblöcke aufgeteilt.

Nach einem Training der Schlachtrufe - "Allez les Bleus" und "Jetzt kommt gelb" - beginnt für die Improvisationskünstler der Ernst. In verschiedenen Disziplinen - wie zum Beispiel dem Fremdwörterspiel, dem ABC-Spiel oder dem Emotional Replay - müssen sie ihre Kreativität und ihre Schauspielkunst unter Beweis stellen. Wer die besten Szenen spielt, gewinnt. Zur objektiven Bewertung werden dazu Punktrichter aus den Publikumsreihen bestimmt. Chancen auf einen heißbegehrten Juryplatz haben nur die, die sich von der Menge abheben: strahlend nimmt der Mann mit den neun Geschwistern - in diesem Moment wohl besonders dankbar für seine Großfamilie - die Punktekarten entgegen.

"Schönen guten Tag, Wutz-Kontrolle. Kann ich dann mal bitte Ihre Blasphemie sehen?"

Derweil warten zusammengeknüllte Zeitungsseiten in den Schößen der Fans ungeduldig auf ihren Auftritt. Doch für Tadel in Form von Wurfgeschossen aus Papier bietet sich heute kaum Gelegenheit. Stattdessen sausen lobende Bonbons Richtung Bühne. Gekonnt füllen die Schauspieler die Publikumsvorschläge mit Geistesblitzen und Fantasie, schaffen neue Welten. So zum Beispiel im Fremdwörterspiel. Da wird in der Szene mit dem skurrilen Titel "Siehsch net de Wutz im Gaten" das Wort "Blasphemie" geschickt zweckentfremdet. Das Resultat auf der Bühne sieht dann so aus: "Schönen guten Tag, Wutz-Kontrolle. Kann ich dann mal bitte Ihre Blasphemie sehen?" Bonbonhagel.

Unschlagbar ist das L.U.S.T.-Team auch im Kreieren neuer Ohrwürmer. Beim "Grand-Prix"- Beitrag aus Jamaica grölt das Publikum begeistert den Refrain: "Legalize jamaica, legalize our land" mit. Und sogar Heavy-Metal ist kein Ding der Unmöglichkeit. Mit dem Lied "Schweinfresser bekommen eins in die Fresse" und der dazugehörigen Zerstörungswut auf der Bühne hätten sie jeden Szenekenner beeindruckt. Die Band besteht aber nicht nur aus einem Gitarristen, der auf einem Garderobenständer loslegt, sondern auch aus dem wirklich talentierten Pianisten Martin Glöckner. Dieser begleitet den ganzen Abend versiert und sensibel am Klavier. Er spielt die tapsenden Schritte von Otto K. in die Küche, Liebeslieder und die Melodie vom Jamaika-Song.

Je länger man den Rausch der Improvisationskünste genießt, umso deutlicher wird einem eines: Jury hin oder her - in Wahrheit sind alle diese Menschen auf der Bühne unschlagbar. Daran ändert auch die abschließende Siegerehrung nichts. Verloren haben nur diejenigen, die heute zu Hause geblieben sind.



Auftritte von Theater L.U.S.T. im Theatercafé: 16. und 17. April (Theatersport), 30. April (improVision), 14. Mai (ImproCollage), 28. Mai (improVision). Die Vorstellungen beginnen jeweils um 20.30 Uhr; Vorverkauf/Reservierung an der Theaterkasse

[TEL] 0761/ 34874.

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 11. April 2002: PDF-Version herunterladen

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