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"Ich schieße über das Gehör"

  • Fr, 11. April 2014
    Zisch-Texte

     

ZISCH-INTERVIEW mit der blinden Sportlerin Vivian Hösch, die an den Paralympics in Sotschi 2014 teilnahm und unter die besten Fünf kam.

Vivan Hösch und Marlene  | Foto: privat
Vivan Hösch und Marlene Foto: privat

Eine echte Paralympicsteilnehmerin traf Marlene Neidinger aus der Klasse 4d der Grundschule Ehrenkirchen. Sie durfte die Spitzenathletin Vivian Hösch interviewen und weiß jetzt, dass man beim Biathlon nicht nur Mut, Ausdauer und Kraft braucht, sondern – wenn man blind ist – auch Kommandos blitzschnell umsetzen muss.

Zisch: Kannst du dich kurz vorstellen?
Hösch: Ich bin Vivian Hösch, 23 Jahre alt und mache Leistungssport – also Biathlon, Langlauf und Schießen. Ich arbeite bei der Stadtverwaltung Freiburg im öffentlichen Dienst. Ich reise gerne, spiele Klavier, unternehme etwas mit Freunden, höre und mache gerne Musik.

Zisch: Warst du als Kind auch schon so sportlich?
Hösch: Ich habe schon immer viel Sport gemacht, mit der Familie sind wir viel gewandert, Fahrrad oder auch Inliner gefahren und ich war acht Jahre lang im Schwimmverein. Im Winter fahre ich Ski Alpin und ich habe viele Sportarten ausprobiert.

Zisch: Wie bist du zum Biathlon gekommen?
Hösch: Ich habe nach einer Möglichkeit gesucht, bei der ich Alpin Skifahren kann. Während dieser Suche hat uns der Olympiastützpunkt Freiburg angeschrieben und erzählt, dass es eine Gruppe für den Behindertensport gibt. Die Gruppe macht Langlauf und Biathlon. Ich hab’s mir mal angeschaut und das Schießen hat mich sofort fasziniert, es war eine tolle Gruppe und das Langlaufen hat auch Spaß gemacht. Alpines Skifahren mache ich jetzt also hobbymäßig.

Zisch: Wie macht man es mit dem Schießen und dem Laufen, wenn man nicht sehen kann?
Hösch: Das Schießen macht man über das Gehör. Ich höre ein Tonsignal, das heißt, der Ton variiert in der Höhe. Am Anfang ist er ganz tief und stockend und je näher ich der Mitte komme, desto höher und durchgängiger wird der Ton. Wenn er sich so anhört wie eine Schnake, ganz hoch und piepsig ist, weiß ich, ich bin im Zentrum der Zielscheibe. Wenn ich dann abdrücke, bekomme ich anschließend ein Signal, ob es ein Treffer oder Fehler war.

Zisch: Woher weißt du, welches Gewehr frei ist?
Hösch: Auf der Loipe laufe ich mit Begleitläufer, er läuft voraus und gibt mir immer Kommandos. Da gibt es ein Grundkommando, das ist "hopp" und dann gibt es Richtungsangaben "links" und "rechts". Diese werden mit Hilfe der Uhrzeit angegeben. Zum Beispiel "links auf 9 Uhr" ist eine scharfe Linkskurve und "10 oder 11" ist ein bisschen schwächer und das Gleiche auch nach rechts. Man muss sich ein Ziffernblatt der Uhr vorstellen. Auf der Loipe laufe ich dem Begleitläufer unverbunden der Stimme hinterher. Am Schießstand nimmt er mich "an die Stöcke". Mein Begleitläufer wird eingewiesen, welchen Schießstand wir nehmen müssen, er bringt mich an die Schießmatte und lässt mich allein. Er darf beim Schießen keine Kommandos geben, man darf dort nicht sprechen, das nennt sich Ruhezone. Wenn ich mit dem Schießen fertig bin, holt er mich wieder ab und weiter geht’s auf der Loipe.

Zisch: Wie hast du dich für die Paralympics qualifiziert?
Hösch: Da gibt es bestimmte Normen, die man erfüllen muss. Bei uns war es die Vorgabe, höchstens fünf Prozent hinter Platz Drei zu sein. Das habe ich beim Weltcup in Oberstdorf geschafft und zwar im Sprint. Da war ich zwei Sekunden hinter Platz Drei und hier bei uns in Oberried habe ich sogar Bronze geschafft.
Zisch: Welches Ziel hast du dir für Sotschi vorgenommen und hast du es erreicht?
Hösch: Mein großes Ziel war dabei zu sein und für dort habe ich mir vorgenommen, unter die ersten fünf zu kommen und das habe ich auch geschafft.

Zisch: Wow, was für eine tolle Leistung.
Hösch: Ja, ich realisiere es erst jetzt,dass ich wirklich dabei war, aber es war eine ganz tolle Erfahrung und eine beeindruckende Kulisse dort.

Zisch: Wie oft trainierst du und was trainierst du jetzt im Sommer?
Hösch: Ich habe neun Trainingseinheiten in der Woche, das heißt jeden Tag eine Einheit und an zwei Tagen trainiere ich zweimal. Das habe ich mit meiner Arbeit so kombiniert, dass ich entweder vor und nach der Arbeit trainieren kann. Im Sommer gehe ich Rad fahren, schwimmen und Laufen und ab Juni haben wir viele Crosseinheiten für die Grundlagenausdauer mit Skirollern auf der Straße.

Zisch: Was möchtest du noch erreichen?
Hösch: Jetzt trainiere ich auf die Weltmeisterschaft, die ist nächstes Jahr in den USA, das ist nach den Paralympics das zweitgrößte Ereignis. Ich möchte dann gerne nochmal bei den nächsten Paralympics dabei sein und da möchte ich auch eine Medaille gewinnen.

Zisch: Ich drücke dir ganz fest die Daumen für deine nächsten sportlichen Ziele. Vielen Dank, dass du Zeit für mich hattest und dass du mir so ein tolles Interview gegeben hast.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 11. April 2014: PDF-Version herunterladen

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