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Gemeinsam gegen den Schweinehund

  • Do, 12. Januar 2017
    fudder

     

Wer mit Sport-Apps fit werden will, muss das nicht alleine tun – in Freiburg gibt’s eine Gruppe, die mit Freeletics trainiert.

Minustemperaturen? Egal! Mitglieder der Freeletics-Freiburg-Gruppe trainieren bei jedem Wetter zusammen. Foto: Fionn GroSSe
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Sie heißen Runtastic, Freeletics, Moveguard, Power Traxx oder Bikini Body Guide und sie wollen dich fit machen. Mit den guten Vorsätzen zum Jahresanfang boomen auch die Fitnessapps und Online-Dienste. Wer mit dem Smartphone fit werden will, muss das nicht alleine tun: Fudder hat in Freiburg eine Gruppe Freeletics-Sportler getroffen, die auch mitten im Winter gemeinsam draußen trainiert.

Es ist dunkel und kalt in einem Innenhof in der Sautierstraße in Herdern. Über der Häuserreihe geht der Mond auf, scheint auf den sandigen Bolzplatz mit zwei Eisentoren, spärlich von ein paar Laternen beleuchtet. Musik ertönt aus einer mobilen Lautsprecherbox. In der Dunkelheit leuchten die Smartphone-Displays, nur die Silhouetten der Sportler sind zu erkennen. Sie stöhnen, fluchen, atmen. "Noch eine Runde." Jeden Abend trifft sich hier eine kleine Gruppe Fitness-Enthusiasten: Sie trainieren gemeinsam mit der App Freeletics. Der Atem der Sportler malt bei knapp über null Grad kleine Wolken in die kalte Luft. "It’s only cold, if you are standing still", zitiert Bastian Harz einen Motivationsspruch und tänzelt auf der Stelle. Die App auf seinem Handy listet Trainingseinheiten auf, die Aphrodite, Dione oder Morpheus heißen. Jedes Workout besteht aus vorgegebenen Übungen, die in Intervallen wiederholt werden.

"Whenever. Wherever. Together" lautet das Motto des digitalen Fitnessprogramms. Die Kraft- und Ausdauerübungen in Freeletics können überall ausgeführt werden, ohne Geräte oder Hanteln, nur mit dem eigenen Körpergewicht, alleine oder in der Gruppe. Alles, was man an Hardware braucht, sind Sportklamotten und eine Matte. Trainingspläne können mit unterschiedlichen Laufzeiten abonniert werden und kosten ab 1,60 Euro pro Woche. Motivationshilfen sollen die Nutzer in Bewegung halten. Für den Erfolg gibt es von den digitalen Mitstreitern ein "Clap Clap", das "Like" von Freeletics.

Drei junge Sportler aus München starteten 2013 Freeletics. Rund drei Jahre später gehört das Start-up zu den globalen Marktführern in der digitalen Fitnessbranche. Freeletics ist mittlerweile in über 160 Ländern und sechs verschiedenen Sprachen erhältlich; nach Angaben des Unternehmens sind zwölf  Millionen Nutzer registriert.

Bastian Harz (35) und Nora Drechsel (18) gehören dazu. Seit über einem Jahr nutzen die beiden die App für ihr tägliches Training. Für beide ist der Sport zu einem festen Bestandteil des Alltags geworden, zu einem Ausgleich nach der Arbeit und einer verlässlichen Art, Stress abzubauen. "Am Anfang haben mich die Übungen einfach nur fertiggemacht", sagt Bastian. Das war im November 2015, als er noch über zehn Kilo mehr wog als heute. "Ich habe mit Freeletics sehr schnell gemerkt, wie ich fitter geworden bin." Heute bringt er die 150 Pull-ups und 150 Push-ups mit einem Grinsen hinter sich. Bastian absolviert gerade eine "Hell Week", sieben Tage Training mit erhöhtem Pensum.

Durch die Hölle gehen, um in den Himmel zu gelangen – das scheint die Botschaft von Freeletics zu sein. Noras erstes Training sei wie eine "Nahtoderfahrung" gewesen, erzählt die FSJlerin und schmunzelt. "Ich jammere während des Trainings, aber danach bin ich stolz." Das Leiden und der Muskelkater gehören dazu. Anna Mitrovic, ein anderes Mädchen aus der Gruppe, liegt auf dem Rücken, eine dünne Matte zwischen ihr und dem kalten Boden. Sie kämpft sich durch 50 Leg-raises, da huscht eine Sternschnuppe über den Himmel. "Ich wünsche mir, dass es vorbei ist!", sagt sie keuchend. Ihre Trainingskollegen lachen, feuern sie an. Der Spaß kommt trotz aller Anstrengung nicht zu kurz. "Am Ende tut das Leiden gut", sagt Bastian.

Für ihn und Nora ist Freeletics schon lange mehr als nur Sport. Das Trainieren hat ihnen nicht nur zu mehr Muskel-, sondern auch zu mehr Willenskraft verholfen. Nora nimmt das Freeletics-Feeling mit in den Alltag: "Ich bin routinierter und disziplinierter. Ich beiße mich durch und bringe Dinge zu Ende." Bastian fühlt sich durch den Sport auch mental gestärkt. "Ich war nie der Sportlertyp. Plötzlich gehe ich über meine Grenzen, habe ein viel größeres Selbstbewusstsein", sagt er. Mittlerweile trainiert Bastian fast jeden Abend, will mit seinem Elan auch andere anstecken. Als Administrator der rund 770 Mitglieder starken Facebook-Gruppe "Freeletics Freiburg" erstellt er regelmäßig Veranstaltungen, will zum Treffen animieren. Die abendliche Trainingsgruppe besteht oft aber nur aus sechs oder sieben Leuten, die Bastian mittlerweile alle beim Namen kennt. Das Verabreden zum gemeinsamen Training schafft eine Verbindlichkeit, die das Smartphone allein nicht geben würde.

Egal, was die App mit ihren "Vorher-Nachher"-Fotos vermitteln mag, bei Bastian und seiner Crew soll es nicht um den Bikini- oder Badehosenkörper gehen. "Es geht bei uns nicht darum, fit auszusehen, sondern sich fit zu fühlen. Wir wollen uns nicht miteinander vergleichen, jeder misst sich mit sich selbst", sagt Bastian. Dabei soll sich das Training aber nicht nur um das ständige Streben nach der persönlichen Bestzeit drehen. Bastian und Nora kritisieren an der App die starke zeitliche Fokussierung. Die korrekte Ausführung der Übungen wollen sie nicht zugunsten der Zeit vernachlässigen. "Ein guter Mittelweg zwischen sauberer Ausführung und Zeit ist uns wichtiger", meint Nora.

Die Kombination aus virtuellem Coach und realer Trainingsgruppe, aus extremen Herausforderungen und realistischen Zielen scheint gut zu funktionieren. Für Bastian zumindest gibt es kaum ein besseres Gefühl, als nach dem Training durch die Nacht nach Hause zu laufen. "Und ehe du dich versiehst, bist du süchtig."

Mehr Fotos gibt’s auf: http://fudr.fr/freeletics

Ressort: fudder

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 12. Januar 2017: PDF-Version herunterladen

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