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Du darfst dich nicht aus dem Sattel werfen lassen

Gabriele Schoder
  • Do, 28. September 2017
    Kino

     

JUGENDFILM: "Rock My Heart" von Hanno Olderdissen ist ein klassisches Pferdeabenteuer mit ernster Thematik.

Dieter Hallervorden, Lena Klenke   | Foto: spauke
Dieter Hallervorden, Lena Klenke Foto: spauke
Nein, das ganz große, herzzerreißende Jugenddrama über Leben und Liebe im Angesicht des Todes – wie etwa "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" – ist es nicht geworden. Regisseur Hanno Olderdissen ("Robin", "Familie verpflichtet") konnte freilich auch nicht auf eine literarische Steilvorlage wie John Greens Romanbestseller bauen. Ein sehenswerter Film ist ihm und (Co-) Drehbuchautor Clemente Fernadez-Gil dennoch gelungen, packend, berührend, glaubwürdig – und das im kitschbeladenen Genre des Pferdefilms! "Rock My Heart" bedient zwar die klassischen Topoi des nicht zuletzt sexuell konnotierten Jungmädchen-Pferdeabenteuers, bindet sie aber ein in eine Geschichte, die nicht nur von Stallgeruch, Sehnsucht und Sonnenuntergang erzählt. Sondern von den Ernstfällen des Lebens.

Jana (Lena Klenke) ist 17 und herzkrank, seit sie denken kann. Eine neue Operation könnte Rettung bringen, aber sie will raus aus ihrer in Watte gepackten Existenz und den Pulsschlag der Jugend spüren. Auch wenn der sie umhaut: Die erste Szene zeigt sie nach einer nächtlichen Verfolgungsjagd auf den Waldboden hingestreckt, ein Pferd ist in ihrer Nähe, dampfend, geheimnisvoll, faszinierend.

Die düstere Eröffnungssequenz, die bereits darauf hindeutet, dass die Altersfreigabe des Films mit Vorsicht zu genießen ist, mündet in eine gleißend helle Szene im Krankenhaus. Kann sein, sagt der Arzt, dass dein Körper dir im Wald vor lauter Anstrengung einen Streich gespielt hat und das Pferd, das du gesehen hast, in Wirklichkeit gar nicht da war. Aber, entgegnet sie, es hat sich so real angefühlt…

Wenig später begegnet sie ihm wieder: "Rock My Heart" ist ein eigenwilliger Vollbluthengst, der sich von niemandem an die Kandare nehmen lässt, nicht einmal von seinem Besitzer, dem abgehalfterten Rennstallbesitzer Paul (Dieter Hallervorden). Zu Jana aber fasst das Pferd sofort Zutrauen – was Paul auf die aberwitzige Idee bringt, sie zum Jockey zu machen: Wenn das Mädchen und der talentierte Hengst das große Galopprennen gewinnen würden, könnte er mit dem Preisgeld seine Schulden tilgen und den Reitstall behalten.

Jana willigt ein, verschweigt ihm aber ihre Krankheit – und den Eltern (Annette Frier, Michael Lott), dass sie bei Paul nicht einen lockeren Sommerferienjob hat, sondern bis zum Umfallen fürs Reiterabzeichen trainiert. Die Wahrheit erfährt nur ihr ebenfalls herzkranker Freund Samy (Emilio Sakraya). Du bist verrückt, warnt er, aber er sieht auch, wie sie aufblüht und vielleicht zum ersten Mal ahnt, was das denn sein könnte, das Leben.

Die kräftezehrende Vorbereitung auf das Derby ist von heftigen Rückschlägen begleitet, gelingt aber am Ende doch – während dem beglückenden Frühlingserwachen mit Samy ein gnadenloser Schlusspunkt gesetzt wird: Die Parallelführung der Handlungsstränge sorgt für Spannung, ermöglicht Identifikation und die Auseinandersetzung mit den schwierigen Themen von Krankheit und Tod. Emotionalen Sog erzeugen auch der zielgruppenorientiert suggestive Soundtrack (Tobias Wagner) – und die Kamera (Sten Mende): Was könnte den wilden Herzschlag der Jugend stärker visualisieren als das unbändige Losgaloppieren der Rennpferde, sobald sie aus dem Gefängnis ihrer Startboxen entlassen werden?

Was den Film aber stark macht, sind zuerst und zuletzt seine beiden Hauptdarsteller: der einstige Palim-Palim-Didi Hallervorden, der erst mit beinahe 80 Jahren zum veritablen Charakterdarsteller ("Das Kind", "Sein letztes Rennen", "Honig im Kopf") wurde, und die so souverän wie unaufgeregt spielende junge Berlinerin Lena Klenke ("Das letzte Schweigen","Fack ju Göhte", "Victoria").

Die beiden harmonieren wunderbar als Seelenverwandte, in Melancholie und einem trotzigen Optimismus, der ihnen aus den himmelblauen Augen leuchtet. Das Leben ist kein Ponyhof, aber das muss einen nicht aus dem Sattel werfen.

"Rock My Heart" (Regie: Hanno Olderdissen) läuft flächendeckend. (Ab 6 Jahren)

Ressort: Kino

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 28. September 2017: PDF-Version herunterladen

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