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Indien

Die Autos verpesten Neu-Delhi

  • dpa

  • Do, 10. November 2016
    Panorama

     

Die Luft in der indischen Hauptstadt ist so schlecht wie seit Jahren nicht mehr / Schuld ist die Zunahme des Verkehrs.

Ein Polizist mit Atemmaske regelt in Neu-Delhi den Verkehr.   | Foto: DPA
Ein Polizist mit Atemmaske regelt in Neu-Delhi den Verkehr. Foto: DPA

NEU-DELHI (dpa). Die Luft in Neu-Delhi ist so schlecht wie seit anderthalb Jahrzehnten nicht mehr. Die verzweifelten Notmaßnahmen der Stadtregierung helfen bisher wenig. Sogar die Schulferien wurden wegen des Smogs schon verlängert. Das Problem ist nicht neu – doch warum ändert sich nichts?

Der Khan Market in der Nähe des Diplomatenviertels von Neu-Delhi ist auch bei Ausländern ein beliebter Treffpunkt. Um die Mittagszeit versammeln sich in den Restaurants am Platz Hunderte Menschen, um dort ihre Mittagspause zu verbringen. Der größte Andrang ist vor einem wenige Quadratmeter großen Geschäft. "Atmen Sie saubere Luft", steht auf einem Schild über dem Eingang. Gerade schleppt ein Mitarbeiter mehrere Kisten neue Atemmasken an – in den vergangenen Tagen einer der größten Verkaufsschlager in der indischen Hauptstadt.

Der Grund dafür ist seit rund zwei Wochen jeden Tag fahl und weiß wabernd über der Stadt zu sehen. Der Smog hat Neu-Delhi fest im Griff. Die Verschmutzungswerte, laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ohnehin schon die schlechtesten der Welt für Metropolen über 14 Millionen Einwohner, haben sich noch einmal deutlich verschlechtert. So sehr, dass die Stadtregierung am vergangenen Wochenende einen Katalog mit Notfallmaßnahmen vorlegte.

Unter anderem entschied die Regierung der rund 17 Millionen Einwohner zählenden Metropole am Sonntag, die Schulferien um drei Tage zu verlängern. Bau- und Abrissarbeiten sollen für fünf Tage ausgesetzt und ein Wärmekraftwerk für zehn Tage geschlossen werden. Dieselgeneratoren dürfen nur noch in Krankenhäusern genutzt werden, und größere Straßen werden vorerst nur noch einmal pro Woche gereinigt. Auch Kricket-Partien wurden am Wochenende abgesagt.

Am Dienstag befasste sich nun Indiens oberstes Gericht mit dem Thema. Die Richter forderten die Stadt auf, einen mehrstufigen Plan zu erarbeiten. Er soll verbindlich festlegen, wie die Stadt reagieren muss, wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden. "Oberhalb eines bestimmten Limits könnte es sein, dass die Stadt für alle Fahrzeuge geschlossen werden muss", zitiert Sunita Narain das Gericht. Narain arbeitet für die Umweltbehörde EPCA, die den Fall überhaupt erst vor Gericht gebracht hat.

Notfalls müssen viele Autos stehen bleiben

Um die verzweifelten Maßnahmen zu verstehen, hilft ein Blick in die Statistik. Als wichtiger Indikator für die Luftqualität gilt die Konzentration von Partikeln mit weniger als 2,5 Mikrometern (PM 2,5) Durchmesser. Diese Teilchen können tief in Lunge und Bronchien eindringen und sich dort festsetzen. Laut WHO ist eine jährliche Durchschnittsbelastung von zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft unbedenklich. Der Grenzwert für die durchschnittliche Belastung in Europa liegt bei 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Nach Angaben der städtischen Umweltbehörde DPCB lagen die Durchschnittswerte in Neu-Delhi selbst in den weniger verschmutzten Sommermonaten zuletzt nie unter 180 Mikrogramm pro Kubikmeter. Doch zuletzt schwankte die Konzentration von PM 2,5 an verschiedenen Messpunkten in der Stadt zwischen 400 und 900 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft – der schlechteste Wert in der Stadt seit 17 Jahren.

Die erste Luftkrise der Stadt erreichte ihren Höhepunkt im Jahr 1999. Danach führte das oberste Gericht der Stadt Maßnahmen dagegen ein. Zu den wichtigsten gehörte die Umstellung des öffentlichen Verkehrs auf Gasantrieb. Doch der Erfolg war nur von kurzer Dauer. "Seit 2007 steigen die Verschmutzungswerte wieder", sagt Shambhavi Shukhla, Forscherin für das Zentrum für Wissenschaft und Umwelt. Schuld daran ist vor allem der extreme Zuwachs an Autos in der Hauptstadt. Hinzu kommt, dass Landwirte rund um die Stadt in dieser Jahreszeit die Überreste ihrer alten Ernten auf den Feldern verbrennen. Auch in der Stadt selbst wird noch häufig illegal Müll verbrannt. Der Strom kommt teilweise aus Kraftwerken, die umweltschädliche Biomasse verbrennen. Und wegen der schlechten Versorgung stehen unzählige private Generatoren in der Stadt, die umweltschädlichen Diesel verbrennen.

In ihrem Antrag an das Gericht schreibt EPCA, dass Verbote aller unnötigen Emissionen streng durchgesetzt werden müssten – notfalls durch eine drastische Reduzierung der Fahrzeuge. Das Gericht hat der Stadt bis Donnerstag Zeit gegeben, einen weiteren Plan zu veröffentlichen.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 10. November 2016: PDF-Version herunterladen

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