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Tradition

Schauinsländer Berggeister schlugen glühende Scheiben in eiskalter Nacht

  • Di, 27. Februar 2018
    Freiburg

Minusgraden, Dunkelheit und eisigem Wind trotzten die Schauinsländer Berggeister und eine Vielzahl Schaulustiger am Samstagabend in Kappel: Schließlich wollten sie ihn gemeinsam vertreiben, den Winter

Für Lichteffekte sorgte auch ein kleines Feuerwerk am Ende des Scheibenschlagens. Foto: Thomas Kunz
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FREIBURG-KAPPEL. Minusgraden, Dunkelheit und eisigem Wind trotzten die Schauinsländer Berggeister und eine Vielzahl Schaulustiger am Samstagabend in Kappel: Schließlich wollten sie ihn gemeinsam vertreiben, den Winter. Dafür findet das jährliche Scheibenschlagen statt, bei dem glühende Scheiben über den Aufschlag auf ein Holzbrett in das Tal geschleudert werden.

In Kappel liegt der Termin fürs Scheibenschlagen immer eine Woche später als andernorts üblich – eigentlich ist es eine Tradition für den ersten Samstag nach Aschermittwoch. Doch zumindest in diesem Jahr ist man über den verspäteten Termin recht dankbar, sagt Jörg Andris von der Narrenzunft: "Letzte Woche hat es ja extrem geregnet – wenn es hier jetzt matschig wäre, wäre es auch blöd."

Um neun Uhr morgens hat die Narrenzunft der Schauinsländer Berggeister mit den ersten Vorbereitungen begonnen: Ein kleines Feuer zum Erhitzen der Scheiben lodert beim Beginn der Veranstaltung um 19 Uhr bereits, geschichtetes Holz mit einem Tannenbaum auf der Spitze für das große Feuer steht bereit. Außerdem ist der gesamte Weg hinauf mit kleinen Feuerstellen gesäumt, an denen sich die Besucher orientieren können: "Noch ein Feuer, noch ein Feuer!", kann man die Kinder rufen hören, während sie mit den Eltern am Meierbergweg entlangtapsen.

Warm eingepackt versammeln sich die Schaulustigen rund um die Szenerie, und wenig später wird das Feuer entzündet. Das Vaterunser aufsagend umrunden die elf "Scheibenbuben" und der "Scheibenvater" Raphael Birkle mit weißen Hemden und Strohhüten bekleidet das Feuer. "Schibii, Schiboo, wem soll die Scheibe go?" ertönt es dann – und die erste Scheibe wird vom Scheibenvater, der für die Planung der Veranstaltung zuständig ist, für die Heilige Dreifaltigkeit geschlagen. Dann folgen Schlag auf Schlag weitere Scheiben, und es scheint, als würde niemand in ganz Kappel vergessen werden. Dem Pfarrer, dem Gesangsverein, der Feuerwehr, dem Bäcker, zahlreichen Familien der Scheibenbuben und vielen weiteren werden Scheiben gewidmet, die mal mehr mal weniger erfolgreich im Tal verglühen.

Besonders spektakulär schießt die Scheibe für das Grillwagenteam durch die Lüfte, das die Zunft und alle Zuschauenden an diesem Abend mit Bratwurst und Glühwein versorgt. Aus dem Grillwagen ertönt Narrenmusik, hinter dem Grill steht – wie schon die Jahre zuvor auch – Andreas Wehrle. Früher habe er auch Scheiben geschlagen, schließlich sei er selbst Mitglied in der Narrenzunft, erzählt er. Aber nun sei eben der Job des Grillmeisters an ihm hängengeblieben.

"Wir haben einen guten Zusammenhalt – da geht alles Hand in Hand", betont Scheibenbub Sebastian Lindner, der dieses Jahr zum ersten Mal mitgeschlagen hat. "Die Schläge hätten besser laufen können", sagt er. Aber Jörg Andris, der schon seit 23 Jahren beim Scheibenschlagen aktiv ist, weiß: "Das ist schwierig. Die Technik kriegt man mit der Zeit ein wenig raus – aber manchmal ist es auch einfach Glückssache."

Ein Publikumsschlagen gibt es in Kappel nicht mehr

Häufig können sich nach der Zunft auch noch die Zuschauer am Scheibenschlagen versuchen. Doch nach einem Unfall beim Kappler Scheibenschlagen vor einigen Jahren ist das nun nicht mehr möglich. Passantin Ulrike Böttcher weint dem jedoch keine Träne nach: "Ich habe das mal probiert, und es ist voll in die Hose gegangen. Das würde ich jetzt nicht noch mal riskieren, dass ich da jemanden aussuche, für den die Scheibe gehen soll und dann wird es nichts". Auch Josef und Ursula Riediger aus Kappel schauen gerne einfach zu: "Das sieht einfach so schön aus. Da kommen wir gerne her, um die Narrenzunft zu unterstützen."

Seit wann das Scheibenschlagen von den Schauinsländer Berggeistern organisiert wird, scheint keiner mehr so genau zu wissen. Sicher ist für Scheibenbub Jörg Andris aber: "Brauchtum muss man pflegen – und das Scheibenschlagen ist so etwas, das wir weiter pflegen möchten."

Mit dieser Brauchtumspflege können die Berggeister sogar Zugezogene begeistern. Heike Schmeding, die aus Hannover stammt, ist schon zum zweiten Mal mit dabei: "Das ist so eine nette Atmosphäre bei diesem Brauch – und natürlich kenne ich aus Hannover so etwas gar nicht. Schon allein weil das Scheibenschlagen nur am Hang funktioniert."

Ressort: Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 27. Februar 2018: PDF-Version herunterladen

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