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Neu im Kino

Oscar-reif: Lady Gaga in "A Star is Born"

Gabriele Schoder
  • Do, 04. Oktober 2018, 19:13 Uhr
    Kino

     

Regisseur Bradley Cooper gelingt es, die uralte Romanze jung zu erzählen – und Lady Gaga spielt Oscar-reif: Das gelungene Remake von "A Star is Born".

Starkes Debüt als Hauptdarstellerin: Lady Gaga als Ally  | Foto: dpa
Starkes Debüt als Hauptdarstellerin: Lady Gaga als Ally Foto: dpa
Irgendwann in den üppigen 136 Minuten dieses Musikdramas hört man auf der Tonspur wie von fern Luciano Pavarotti (mit "Damni i colori" aus "Tosca"), was noch einmal leise das Besondere an "A Star is Born" bewusst macht. Pavarotti hat ja auch Filme gedreht, aber die waren nur zusätzliche Präsentationsplattformen für den Opernstar, und man musste schon Fan sein, um über die dürre Handlung und das bescheidene Talent des großen Tenors auf der Leinwand hinwegsehen zu können. Das braucht man hier nicht, im Gegenteil: Man muss Popstar Lady Gaga nicht lieben, ja nicht einmal kennen, um vom absolut glaubwürdigen und im Wortsinne ungeschminkten Spiel, das sie in ihrer ersten Kinohauptrolle (nach einem winzigen Debüt in Robert Rodriguez’ B-Movie "Machete Kills" und Serienauftritten in "American Horror Story") jetzt als Musikerin Ally zeigt, begeistert zu sein. Von ihrer Singstimme sowieso.

Und umgekehrt überzeugt Bradley Cooper, dessen schauspielerische Qualitäten nicht nur wegen seiner drei Oscar-Nominierungen (für "American Sniper", "American Hustle" und "Silver Linings") außer Frage stehen, in der männlichen Hauptrolle gerade als Musiker: Gesang und Gitarrenspiel hat er sich großartig draufgeschafft und gibt den Countryrocker Jackson Maine mit dunkler, brüchig versoffener Stimme und wilden Riffs als tragische Figur am Rande des Abgrunds von Alkohol und Drogen.

Zusammen harmonieren Cooper und Gaga, die beiden 1975 und 1986 geborenen US-Amerikaner, als wunderbares, berührendes Liebespaar, für die diese Welt kein Glück bereithält: Während Allys Stern strahlend aufgeht, ist der von Jack als Superstar, dem einst große Hallen und ganze Stadien zu Füßen lagen, längst am Verlöschen, und sein beruflicher Absturz geht mit dem privaten Hand in Hand.

"A Star Is Born": Bradley Coopers Regiedebüt ist bereits das vierte Drama dieses Titels. Das Original, mit Janet Gaynor und Fredric March, stammt aus dem Jahre 1937 (und basiert lose auf "What Price Hollywood?" von 1932), die Remakes – die die Geschichte vom Aufstieg und Fall im gnadenlosen Showbusiness aus der Film- in die Musikszene verlagerten – kamen 1954 mit Judy Garland und James Mason und 1976 mit Barbara Streisand und Kris Kristofferson.

Über eine dritte Neuauflage wurde seit Jahren spekuliert, Namen wie Beyoncé, Jennifer Lopez, Will Smith und Clint Eastwood waren im Spiel, jetzt hat sich Cooper in die großen Fußstapfen gewagt – und ist nicht darin versunken, nicht als Regisseur, nicht als Co-Autor, nicht als Hauptdarsteller. Okay, das Drehbuch hätte man straffen können, etwa die Nebenhandlung mit Jacks älterem Bruder Bobby, auch wenn Sam Elliott den in bester Cowboy-Knarzigkeit stark verkörpert: Jacks Drama als ungeliebtes Kind, das den Schmerz seines Lebens mit Rauschmitteln betäubt, hätte sich auch so mitgeteilt. Falls das überhaupt nötig gewesen wäre.

Auf Wiedersehen
bei den Oscars, Lady Gaga!
Und dass Ally so viel Verständnis, eine solche unerschütterliche Liebe an den Tag gelegt und ihr Ehemann, der Jack bald wird, wegen seiner Exzesse nie ein hartes Ultimatum stellt, das mag man so recht nicht glauben. Obendrein: Warum streitet sich dieses Paar nie über Stil und Geschmack, über "gute", über "echte", über "wahre" Musik? Immerhin steigt Ally schon bald ohne Bedenken ins Häs eines Popsternchens, wenn’s die Solokarriere verlangt – und begeht damit auch Verrat an ihrer eigenen Herkunft.

Denn sie ist ja eigentlich keine Anziehpuppe des Pop, sondern eine Künstlerin mit Anspruch, für die Ehrlichkeit und Unmittelbarkeit so wichtig ist wie für einen Rockmusiker. Der Film führt sie als singende Kellnerin mit ihrer Version von Edith Piafs "La vie en rose" ein, die sie als "Special Guest" in einer Dragqueen-Bar zum Besten gibt. Hier strandet Jack nach einem Konzert auf der Suche nach Alkohol, er hört sie und ist beeindruckt, entzückt von ihrer Stimme und Person.

Die beiden verbringen den Abend miteinander, er erfährt, dass sie selbst Lieder schreibt, aber nicht selber interpretiert, dafür sei sie zu hässlich. Findet er natürlich nicht. Und voilà, bei nächster Gelegenheit lässt er sie mit dem Privatjet zu seinem Konzert einfliegen und auf die Bühne holen, wo er mit ihr im Duett einen ihrer Songs singt. Die Leute jubeln, das Video ihres gemeinsamen Auftritts geht viral, ein Stern geht auf.

"A Star Is Born" lebt vor allem von den hinreißenden Konzertszenen. Lady Gaga, die übrigens etliche Nummern selbst geschrieben hat, performt sowieso alles live, aber auch Cooper geht nie mit Playback auf Nummer sicher, und der formidable Kameramann Matthew Libatique ("Black Swan", "mother!", "Venom") bleibt immer ganz nah an ihren Gesichtern und Körpern. Die Auftritte ihrer Figuren sind in Aufnahmen von Stadionkonzerten und Festivals eingeschnitten, was für enorme Authentizität, fiebrigen Drive und hämmernde Wucht sorgt.

Dagegen ist die Lovestory mit dem von den Vorläufern bekannten Ausgang vergleichsweise konventionell erzählt, aber dennoch ist "A Star Is Born" weit mehr als das dritte Remake einer unsterblichen Geschichte. Cooper gelingt es, die uralte Romanze jung zu erzählen, unter Einbeziehung des Internets oder aktueller Formate wie "Saturday Night Live" oder der Grammy-Verleihung. Zudem besitzt die Tragödie von Musikern in der Abwärtsspirale von Rausch und Drogen angesichts von Stars wie George Michael, Amy Winehouse oder Michael Jackson ohnehin beklemmende Aktualität.

Jacks bitteres Drama zwischen Euphorie und Entgleisung ist die dunkle Folie, auf der die Romanze leuchten darf, ohne kitschig zu werden. Wenn das Paar im Duett "Shallow" singt – die von Lady Gaga geschriebene Ballade, für die wir ebenso eine Oscar-Nominierung erwarten wie für sie als beste Hauptdarstellerin –, dann darf einem schon mal das Herz aufgehen: Er erinnert sie daran, dass sie doch eigentlich mehr will vom Leben, sie fragt ihn, ob er es nicht leid sei, seine innere Leere zuzustopfen. Ein Song wie die Quintessenz dieses Dramas, das einst nicht ist: shallow, seicht. Ein Hollywood-Film, der zu berühren vermag: Was will man mehr?

"A Star is Born" (Regie: Bradley Cooper) läuft flächendeckend. Ab 12.

Ressort: Kino

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 05. Oktober 2018: PDF-Version herunterladen

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