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Mädchen können Loopings fliegen

  • JuZ-Mitarbeiterin Mohini Mattis

  • Do, 08. Mai 2003
    Zisch

     

Beim Technik-Abenteuer-Camp von Siemens dürfen Mädchen sich erproben: an der Kletterwand und am Segelflieger.

Mädchen und Technik? Mädchen gar, die ein Flugzeug steuern, mit dem Lötkolben hantieren, Schaltkreise aufzeichnen, Webseiten designen? Dass das geht und sogar bestens passt, ist alljährlich bei Workshops zu erleben, die Siemens anbietet. JuZ-Mitarbeiterin Mohini Mattis war mit dabei.

Seilsalat auf der ganzen Linie. Denise glaubt nicht mehr dran, dass sie das mit dem Achterknoten noch hinbekommt. Aber Petra erklärt geduldig weiter: "Du machst mit dem Seil so einen Kreis, dass du zwei Seilenden hast. Dann gehst du mit dem einen Seilende hinter dem anderen durch; jetzt müsstest du eine Acht haben. Nun gehst du mit dem gleichen Seilende durch den ersten Kreis und fährst mit dem anderen Seilteil den Knoten nach." Bald können alle 20 Mädchen des Technik-Abenteuer-Camps den Achterknoten. Auch Denise.

Aber der Achterknoten ist nicht der einzige Knoten, den die zwanzig Technik-Abenteurerinnen lernen müssen: das Freeclimbingknotenreservoir enthält noch viele andere. Und Freeclimbing steht unter anderem auf dem anspruchsvollen Programm dieses Camps, das die Firma Siemens seit zwölf Jahren alljährlich organisiert und finanziert. Zum Beispiel in Friesen in der Fränkischen Schweiz. Von 400 Bewerberinnen zwischen 16 und 19 Jahren wurden 20 ausgelost - und die erwarten in den fünf Tagen im Camp jede Menge Herausforderungen. Außer Freeclimbing wird der Bau eines Walkmanverstärkers und eines Bumerangs erprobt, und auch das Gestalten einer Internetseite ist angesagt - und, absoluter Höhepunkt, das erste Mal Segelfliegen.

Am zweiten Tag gibt's zum Auftakt Freeclimbing am Kemnitzer Stein, einem schroffen grauen hohen Felsen. Zur Ausrüstung gehören: der Sicherheitsgurt, an dem später die Seile befestigt werden, ein Helm, der vor herunterfallenden Steinen schützt, ein Karabinerhaken für den Sicherer und fürs Einhängen der Seile am Gipfel - und natürlich die Seile. Außerdem brauchen die Mädchen ganz schön Kraft in Armen und Beinen, um die Felswand ohne Hilfsmittel zu erklettern.

Jede Kletterin sucht sich geeignete Vorsprünge oder Löcher für Finger und Füße. Vom erreichten Platz zieht oder stößt sie sich ab, um weiter nach oben zu kommen. Die Haltelöcher sind nicht immer da, wo man sie sich wünscht. Auf halber Strecke stöhnt Bianca halblaut "das schaff ich nie", aber am Ende siegt der Ehrgeiz - und alle sind oben und ziemlich stolz drauf, es geschafft zu haben. Nur das Runterschauen ist nicht wirklich jedermanns Sache. Zum Glück ist das Abseilen dann wesentlich einfacher. Diejenige, die sichert, hat nun die Hauptarbeit zu leisten und trägt eine große Verantwortung. Sie lässt die Kletterin Stück für Stück herunter und muss sie, falls sie abstürzt, halten und dann langsam und sicher auf den Boden bringen.

Gut gesichert ist Klettern eines bestimmt nicht: gefährlich. Wer aber nun geglaubt hat, Segelfliegen sei viel gefährlicher als alles andere, was man so mit 17 schon erlebt hat, muss am dritten Tag des Abenteuer-Camps staunen: Anders als im Auto, darf man ein Flugzeug schon mit 14 Jahren mit Erlaubnis des Fluglehrers alleine fliegen. Und mit 17 Jahren darf man den Flugschein machen. Die Prüfung umfasst die Fächer Luftrecht, Technik, Meteorologie, Navigation und Verhalten in besonderen Fällen. Auch braucht man das Funksprechzeugnis. Weitere Voraussetzungen sind 50 bis 60 Starts mit dem Lehrer und 30 Flugstunden, davon 15 alleine. Das erzählt ein Segelflieger von der "Friesener Warte" - die stellt für diesen aufregendsten Teil des Abenteuer-Camps drei Maschinen und die Piloten zur Verfügung.

Natürlich sind vor dem Start alle Mädchen unheimlich aufgeregt und bevor sie (jeweils einzeln) zu ihrem Piloten ins Flugzeug steigen, müssen alle ihren Fallschirm anlegen. Sie bekommen haargenau erklärt wie er funktioniert - und fragen sich flüsternd, ob sie sich im Ernstfall auch wirklich an die Erklärungen erinnern könnten? Aber jetzt ist keine Zeit für Grübeleien: Einsteigen - anschnallen - und los geht's.

Das durchsichtige Dach wird geschlossen, das Seil eingehakt und mit der Winde angezogen. Langsam fährt das Flugzeug los, wird - vom Seil gezogen - schneller und hebt ab. Da wird man rücklings in den Sitz gepresst und das Flugzeug steigt höher und höher. Fast liegt es schon in der Horizontalen als es ein rabiater Ruck erschüttert: das Seil hat sich ausgeklinkt. Und dann, irgendwie unerwartet, ist es da: das Gefühl zu schweben. Keine Motorengeräusche, nur das Rauschen der Luft.

Unten, ganz klein: der Flugplatz, Ortschaften, Straßen und Felder. Die erste Kurve - man hat das Gefühl, gleich aus dem Flugzeug zu kippen und irgendwie wird's mulmig in der Magengegend. Aber schon die nächsten Kurven kann man genießen. Viel zu früh sagt der Pilot, dass er runter müsse. Er findet keinen Aufwind mehr. Die Nase des Flugzeugs senkt sich nach unten, der Boden kommt näher. Dann setzt das Flugzeug auf. Wieder geht ein Rucken durch den Rumpf und dann holpert es über die unebene Landebahn.

"In den ersten Jahren hingen die Mädchen oft bis in die Nacht vor den Bildschirmen." Ünzile Güzel, Betreuerin

Ohne abzuheben - und richtig "geerdet" - geht's am nächsten Tag weiter: Da lernen die Mädchen, einen Verstärker für einen Walkman zu bauen. Das hört sich ganz schön kompliziert an. Wer hier eine Einführung in Radio- und Fernsehelektronik erwartet hatte, wird aber enttäuscht: An einem Fertigbausatz sind lediglich noch einige Lötstellen nach vorgegebenem Plan anzubringen. Ausgefuchstes technisches Verständnis ist da also nicht nötig.

Und auch die letzte Übung dieses Camps ist nur mäßig "technisch": die Gestaltung einer Internetseite. Das findet nur ein kleiner Teil der Mädchen wirklich spannend. Beim Bearbeiten der digitalen Bilder zeigen sich die meisten noch richtig interessiert; doch schon bald verabschiedet sich eine nach der anderen in die Pause. "In den früheren Jahren hingen die Teilnehmerinnen oft bis spät in die Nacht vor den Bildschirmen", erzählt Ünzile Güzel, eine der Betreuerinnen.

Insgesamt aber blieben die zwanzig Mädchen alle dran an den Angeboten, mit denen der Technologie-Konzern junge Frauen für technische Berufe begeistern will. Und dass da trotzdem auch die "klassischen Frauenarbeiten", Kochen und Putzen, gerecht und ohne Murren aufgeteilt wurden, war nicht mehr als eine Randerscheinung.


Mehr Infos: http://www.siemens.de

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 08. Mai 2003: PDF-Version herunterladen

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