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Kein Händchenhalten während Mathe

  • den JuZ-Mitarbeiterinnen Daniela Sandmann & Lilli Wintterlin

  • Do, 24. November 2005
    Zisch

     

SERIE "WAS TUN IM AUSLAND" (TEIL 2): 38 junge Freiburger erlebten im Schüleraustausch den Alltag in China hautnah mit.

Im November konnten 38 Schüler/innen und Schüler des Freiburger Kepler-Gymnasiums zum ersten Mal im Rahmen eines Schüleraustausches nach China reisen. Mit dabei: sechs erwachsene Begleiter. Die deutschen TeilnehmerInnen verbrachten eine Woche in den Familien von Schüler/innen der chinesischen Partnerschule, der Highschool Attached Zeijang University, in Hangzhou. Hangzhou, am West Lake gelegen, ist 190 km von Shanghai entfernt. Die zweite Woche wurde zur Besichtigung der Städte Peking, Suzhou, Wuxi und Shanghai genutzt.

Einige der Schüler/innen und Schüler hatten im Februar 2005 bereits chinesische Gastschüler bei sich zu Hause aufgenommen und sahen diesen Austausch als Chance, damals entstandene Freundschaften zu vertiefen. Dass das wirklich Freundschaften waren, konnte man an unseren Gesprächen ablesen: Wir alle haben uns schon beim Besuch der Chinesen in Deutschland super gut auf Englisch unterhalten – und sehr gut verstanden. Und natürlich wussten wir da auch schon etwas über unsere zukünftigen Gastfamilien in China Bescheid: welchen Beruf die Eltern haben, welche Vorlieben unsereGastschüler.

Samstagmorgen. 44 übernächtigte, und doch höllisch aufgeregte Menschen steigen in Peking aus dem Flugzeug, voller Vorfreude auf die nächsten zwei Wochen in einem völlig fremden Land mit anderer Kultur, anderen Essgewohnheiten und einem komplett anderen Tagesablauf. Vergleicht man den Schultag eines chinesischen Schülers mit dem eines deutschen so muss man gestehen, dass es die deutschen Schüler nicht so schwer haben wie die chinesischen. So fragte zum Beispiel die Schülerin Bao Man, was deutsche Jugendliche eigentlich in ihrer Freizeit machen, von der sie doch so viel hätten. In China ist ein Schüler im Durchschnitt von etwa 6.30 Uhr bis 23.00 Uhr auf den Beinen – und zwar immer in Sachen Schule.

Disziplin ist in der chinesischen Schule Grundvoraussetzung für einen reibungslosen Ablauf. So stehen die Schüler natürlich auf, wenn ein Lehrer das Klassenzimmer betritt, und sie müssen sich leicht verbeugen. Das gilt auch, wenn sie sich melden und wenn sie etwas sagen wollen. Jeden Tag wird ein Test geschrieben, das zwingt die Schüler zum Lernen. Die strenge Disziplin ist auch an den Schuluniformen zu sehen und am allmorgendlichen Frühsport, bei dem alle in akkuraten Reihen, nach Klassen sortiert, synchron ein durchaus anstrengendes und gut einstudiertes Fitnessprogramm absolvieren müssen. Dass hier Schuluniformen die völlig übliche Bekleidung für Schüler/innen und Schüler sind, kennt man schon von Bildern. Die Vorschriften über Kleidung und Auftreten gehen aber noch weiter: Innerhalb der Schule ist das Tragen von Schmuck – mit Ausnahme von Uhren – und das Offentragen der Haare verboten. Und dass an chinesischen Schulen nicht geraucht wird, ist selbstverständlich. Nichtrauchen ist bei uns zumindest an manchen Schulen auch ein Thema, aber eines, das für uns besonders seltsam war, ist dass Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen an chinesischen Schulen nicht erwünscht sind. Also kein Händchenhalten während Mathe und kein Küsschen auf dem Schulhof.

Chinesische Jugendliche haben eine Sechs–Tage-Schulwoche. An jedem dieser sechs Tage sind sie mindestens von halb acht morgens bis nachmittags um fünf in der Schule, an manchen Tagen sogar bis um 21 Uhr – dann allerdings haben sie dort auch schon ihre Hausaufgaben erledigt. Zeit für eigene Interessen, die außerhalb der Schule stattfinden müssten, bleibt ihnen ganz offensichtlich kaum.

Für uns deutsche Schüler/innen waren vor allem die chinesischen Essgewohnheiten eine große Umstellung. Da wurden schon morgens zum Frühstück Maultaschen serviert, oder süße Würstchen und Reis in Kochwasser. Mittags und abends wird so ziemlich alles gegessen. Als besondere Ehre wurden uns auch Wasserschlange, Schildkröte und Hund geboten – alles nicht vom tagtäglichen Speiseplan, sondern als traditionelle Delikatesse extra für uns bereitet. In weiser Voraussicht mussten wir solche Besonderheiten allerdings erst unvoreingenommen kosten, bevor wir die exotischen Zutaten genannt bekamen. Nur die Wasserschlange schmeckte etwas gewöhnungsbedürftig modrig, das Hundefleisch hingegen schmeckte ähnlich wie das in Deutschland verspeiste Fleisch, nur dass einem im Nachhinein irgendwie etwas merkwürdig zumute war. Und seltsam war auch das: Eines Abends bekamen wir lebende Drachenbrunnen-Krabben aus Hangzhou serviert, die man am Tisch in grünem Tee dünstete. Ebenso gab es eine große Auswahl an Fleisch- und Fischsorten, verschiedenen Gemüsesorten, Salat und Tofu, die alle in Brühe gegart wurden. Nur auf das im deutschen Speiseplan nahezu unverzichtbare Brot wartet man in China übrigens vergeblich.

"Als besondere Ehre

wurden uns auch Hund

und Wasserschlange

serviert."

Daniela Sandmann, Gastschülerin
Einige der AustauschSchüler/innen gingen abends mit ihren Gastfamilien und deren Freunden essen. Essengehen hat in China eine hohe soziale Funktion. Im Restaurant gibt es keine Tellergerichte, sondern eine große Auswahl von Gerichten die in der Mitte des Tisches auf einer Glasplatte in Schüsseln und Schalen serviert wird, wovon sich jeder selbst bedient.

Einige der Deutschen, die ihre chinesischen PartnerInnen noch nicht kannten, hatten vor dem Zusammentreffen Bedenken, ob sie miteinander und auch mit deren Eltern zurechtkommen würden. Diese Sorge stellte sich jedoch zur Freude aller als völlig unberechtigt heraus: Die Herzlichkeit, mit der die deutschen Gäste in den Familien aufgenommen wurden, war überwältigend. Jeder Deutsche hatte ein eigenes Zimmer – was angesichts der großzügigen Wohnungen auch fast nicht anders zu erwarten war. Die Wohnungen der Chinesen, bei denen wir wohnten, waren sehr westlich eingerichtet. Unsere Gastfamilien hatten einen erkennbar gehobenen Lebensstandard, zu dem neben dem riesigen Fernseher und schicken Sofas auch schon mal ein dickes Auto samt Chauffeur gehörte. Das allerdings erstaunte uns deutsche Austauschschüler dann doch: Immerhin fuhr der Chauffeur jeden Morgen auch die jeweiligen Gastschüler zur Schule. Und war der Fahrer mal samt Wagen anderweitig unterwegs, wurde man mit dem Taxi zur Schule gebracht, das in China wundersamerweise nie mehr als drei Euro kostet.

Die Verständigung mit den Eltern stellte sich übrigens in den meisten Fällen als etwas schwierig heraus: Die wenigsten von ihnen konnten nämlich Englisch sprechen. Also mussten wir uns mit Zeichensprache und dem Einsatz von Händen und Füßen und viel Mimik helfen – und mit einigen chinesischen Wörtern, die wir zum Glück gelernt hatten. Ganz wichtig: xiè xiè (danke) oder ní haò (guten Tag). Irgendwie haben wir es alle geschafft: Es wurden in dieser einen Woche, in der Menschen aus zwei völlig unterschiedlichen Ländern zusammenlebten, viele interessante Gespräche geführt und neue Freundschaften geknüpft. Das zeigte auch der tränenreiche Abschied, mit dem unsere Gruppe nach einer wunderbaren Woche in Hangzhou zur Weiterreise aufbrach.

Nahe Peking gab es dann die Große Mauer zu besichtigen und in Shanghai den Jin Mao Tower, das zweithöchste Gebäude der Welt. Insgesamt waren diese zwei Wochen für alle TeilnehmerInnen des Austausches eine traumhafte Zeit, in einem völlig fremden Land.

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 24. November 2005: PDF-Version herunterladen

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