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Auch eine Frage der Ehre:

JUZ-GLOSSE: Wer zahlt nach Zoff das Taxi?

  • Pola Weiß

  • Do, 22. September 2005
    Zisch

     

Vasen fliegen, Fetzen auch, mein Hals ist schon ganz heiser, so sehr brülle ich mir die Seele aus dem Leib. So ein Streit mit meinem Freund ist doch immer wieder herrlich. Egal um was es geht, ich weiß, ich werde so viel Anstand besitzen und später türenknallend aus seiner Wohnung stolzieren. Das bin ich mir schuldig. Und ihm auch. Was wäre ein Streit ohne das obligatorische Ende? Das also ist nicht das Problem.

Vielmehr frage ich mich schon seit 30 Minuten, ob ich in einer kleinen Streitpause das Taxigeld von ihm verlangen darf. Ich meine, wir wissen doch beide, auf was es hinauslaufen wird. Und da es seine Wohnung ist, werde ich wohl auch den Türen-Part übernehmen dürfen. Aber ist denn das gerecht? Schließlich kann er sich danach in sein Bett legen und in den Schlaf weinen, während ich durch die dunkle Stadt tigern muss.

Es müsste spezielle Zahlautomaten in den Taxis geben. Für aufgelöste, weinende, junge Frauen mit wirren Haaren und einem noch wirreren Blick, die lange Taxireisen in die eigene Wohnung unternehmen wollen, beziehungsweise müssen. "Einmal zahlen bitte, aber schicken Sie die Rechnung an Herrn Arschloch, Hausnummer soundso."

Und die Fahrer in diesen Taxis müssten auf Knopfdruck Phrasen ausspucken wie: "Das wird schon, Kleine!" – "Der hat dich doch gar nicht verdient!" – "Jetzt schlag dir den mal aus deinem hübschen Köpfchen".

Ja, geht denn das nicht einfacher? "Schatz, gleiche knalle ich mit den Türen, kannst du mir bitte 15 Euro fürs Taxi geben?!" Warum sehen wir nie eine solche Szene im Kino? Die Hauptdarstellerinnen, die mit stolzem Lächeln aus der Tür stöckeln, haben immer die nötigen Scheine im Portemonnaie. Oder besser: Man sieht nur ihren nachdenklichen Blick durch verregnete Taxischeiben auf die dunklen Straßen New Yorks. Wie sie zahlen, bleibt der Fantasie der Zuschauer überlassen. Oder nicht, denn kaum jemand stellt sich diese Frage.

Natürlich müsste er mein Taxi zahlen, der Streit ist ja seine Schuld. Und sollte ich ihn nicht auch noch um seine Kreditkarte für das anschließende mitternächtliche Trostmahl in meinem Lieblingsrestaurant bitten? Wäre ich nicht so selbstständig und unabhängig, ich würde es glatt tun!

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 22. September 2005: PDF-Version herunterladen

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