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"Hier geht alles entspannter zu"

  • Sa, 26. November 2005
    Zisch

     

JUZ-INTERVIEW mit Jugendleitern aus Israel, die Emmendingen, Waldkirch und viele andere Orte in der Region besuchten.

WALDKIRCH/EMMENDINGEN. Acht Israelische Jugendleiter waren kürzlich in Emmendingen, Waldkirch und Umgebung zu Besuch, um das deutsche Leben kennen zu lernen und die Partnerschaft zwischen Deutschland und Israel zu festigen. Organisiert wurde der Austausch junger Menschen von der GHSE Emmendingen. JuZ-Mitarbeiterin Julia Becker (19) sprach mit ihnen.

JuZ: Warum seid ihr nach Deutschland gekommen?
Niv: Wir hatten die Möglichkeit dazu! Mit großer Unterstützung der GHSE Emmendingen, die seit langer Zeit immer wieder solche Treffen zwischen deutschen und israelischen Jugendlichen organisiert, waren schon viele Gruppen aus Israel hier zu Gast und irgendwie hat es nun diesmal uns Jugendleiter getroffen!
Avner: Ich finde die Austausche auch sehr wichtig in Bezug auf die Vergangenheit der beiden Länder, denn einige unserer Großeltern sind ehemalige Deutsche.

JuZ: Ihr habt sehr viele Ausflüge unternommen. Was hat euch am besten in Deutschland gefallen?
Hila: Einfach alles! Dies ist eine sehr schöne Region hier, mit unglaublich schöner Landschaft, vor allem die Weinberge.
Yael: Mir haben die Aussichten bei dem Ausritt am besten gefallen, auf den Bergen mittendrin zu sein in den Herbstfarben und natürlich die Ausflüge.
Shaher: Die deutschen Autos sind klasse! Außerdem finde ich das Drei-Länder-Eck toll und für uns kaum vorstellbar: keine Passkontrollen an den Grenzen.
Anat: Der Radweg an der Dreisam entlang ist wunderschön, und was wir auf keinen Fall vergessen sollten zu erwähnen ist, dass die Gastfreundlichkeit wirklich sehr, sehr groß ist und alle Betreuer sehr bemüht waren uns einen interessanten Aufenthalt zu gestalten!

JuZ: Was ist der größte Unterschied zwischen Deutschland und Israel?
Anat: Eindeutig die Menschen. Sie sind zwar sehr nett, aber nicht so aufgeschlossen gegenüber Fremden, und die Familien sind recht klein.
Liv: Wir sehen daheim nie so viele Kleinstädte und Dörfer. Das, was ihr Stadt nennt, ist bei uns ein Dorf, doch dafür ist die Luft viel sauberer hier in Deutschland.

JuZ: Wie gefällt euch die Mentalität der Deutschen?
Michal: Sie sind viel ruhiger als bei uns, in Israel herrscht immer Eile und viel Arbeitsdruck, hier geht alles etwas entspannter zu.
Naama: Sie sind sehr nett zu uns, doch manche scheuen sich etwas mit uns zu reden, wahrscheinlich wegen der Vergangenheit. Oder sie denken, wir wären ganz anders als sie.

JuZ: Was vermisst du am meisten?

Yael: Ich vermisse meinen Freund und meine Familie, aber eigentlich habe ich kein Heimweh, es ist eher ungewohnt, sie nicht um mich herum zu haben.

Hila: Ich könnte Jahre hier bleiben! Da wir so viel unternehmen, immer in der Gruppe sind. Und so nette Betreuer haben. Wir haben eigentlich kaum Zeit Heimweh zu haben, außerdem telefonieren wir oft mit den Verwandten daheim.

JuZ: Hat euch euer Ausflugsprogramm gefallen oder hättet ihr lieber mehr Freizeit gehabt?
Avner: Nein! Wir haben daheim in Israel zwar auch keine Zeit, um uns zu erholen, aber wir wollen so viel wie möglich von Deutschland sehen, nur sind wir manchmal doch etwas müde von den langen Partynächten in Freiburgs Nachtleben…

Michal: Es war wirklich jeder Ausflug interessant und für jeden von uns war etwas dabei. Mir hat das Orgelmuseum in Waldkirch am besten gefallen, da ich selber auch sehr gerne Klavier spiele.

Shaher: Manches war wirklich etwas ermüdend, das lag aber eher an den langen Feiern, die die Lehrer mit uns unternommen haben. Meistens hatten wir nur so um die fünf Stunden Schlaf…

JuZ: Während eures Aufenthaltes wohntet ihr im Agrarinternat an der Hochburg in Emmendingen. Hättet ihr lieber in Gastfamilien gewohnt, um mehr Einblick in deutsche Familien zu bekommen?
Yael: Nein, der Altersunterschied zwischen uns und Gastkindern wäre viel zu groß. Noch dazu waren wir die ganze Zeit unterwegs und hätten kaum Zeit für die Gastfamilien gehabt.

JuZ: In Israel betreut ihr bis zu 150 Kinder nach der Schule als Jugendleiter. Hattet ihr in Deutschland auch Kontakt zu Jugendlichen, die in dem gleichen Alter wie eure Betreuerkinder sind?
Anat: Nein, das nicht. Aber wir hatten Kontakte und Treffen mit Menschen, die genau das Gleiche tun wie wir in Israel oder die für die Jugend arbeiten, wie Uli Leser vom Jugendamt in Emmendingen oder gemeinnützige Häuser wie Jugendtreffs und das Rote Haus in Waldkirch.
Avner: Für uns war der Kontakt zu den Kollegen der Jugendarbeit sehr wichtig: Ich habe viele neue Ideen und Methoden für meine Gruppenkinder gelernt.

JuZ: Was ist eurer Meinung nach der größte Unterschied zwischen deutschen und israelischen Jugendlichen?
Yael: Im Prinzip gibt es keine Unterschiede. Vielleicht, dass die Jugendlichen in Deutschland weniger Schule haben als in Israel und somit mehr Freizeit haben.
Shaher: Mir sind keine großartigen Unterschiede aufgefallen, außer vielleicht dass es in Deutschland sehr viele blonde Kinder gibt.
Avner: Ich hatte den Eindruck, dass die Deutschen Jugendlichen unbekümmerter sind. Sie gehen zur Schule und nachdem sie einen Abschluss haben, fangen sie eine Ausbildung an oder studieren. Manche sind zu diesem Zeitpunkt erst 15 Jahre alt. In Israel muss jeder, der mit der Schule fertig ist, zur Armee, egal ob Mädchen oder Junge. Die Männer leisten drei Jahre, die Mädchen zwei Jahre Dienst. Wenn sie mit dem Bund fertig sind, überlegen sie sich erst, welchen Beruf sie ergreifen wollen und sind schon mindestens 23 Jahre alt.

JuZ: Während eures Besuches in Deutschland gab es ein neues Attentat in Israel. Was denkt ihr, wenn ihr so etwas aus eurer Heimat hört?
Hila: So genau haben wir das nicht mitgekriegt. Ein Lehrer berichtete uns davon. Natürlich machen wir uns Sorgen um unsere Familien und Freunde, doch wenn wir in Israel sind, bewegen wir uns ohne Angst in den Straßen oder öffentlichen Gebäuden. Wenn etwas passiert, interessiert mich eher, was für ein Attentat es war, also ob es eine Bombe im Auto oder ein Selbstmörder war. Für euch ist es zwar schwer zu verstehen, aber für uns sind diese Attentate ständige Realität.
Niv: Wir werden hier oft auf solche Themen angesprochen. Von den Drohungen des Irans haben uns die Lehrer erzählt. Wir sind natürlich nicht erfreut darüber, und sind sehr froh, dass aus allen Ländern Protestlaute gegen diese Politik kamen.

JuZ: Wie findet ihr die Medienberichte über Israel?
Naama: Keine Ahnung! Wir haben keinen Fernseher, und das Radio verstehen wir nicht. Es ist etwas beunruhigend, wenn man dauernd nur Israel, Israel, Israel im Radio hört und dazwischen nur Wörter sind, die man nicht versteht.
Anat: Ich habe gar nicht gewusst, dass Israel so bekannt ist. Es wird viel Aufsehen um dieses kleine Land gemacht.

Ressort: Zisch

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 26. November 2005: PDF-Version herunterladen

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