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Eng umschlungen in den Tod

Gerd Höhler
  • Mi, 25. Juli 2018
    Panorama

     

Bei der Brandkatastrophe in Griechenland spielen sich erschütternde Szenen ab / Ganze Orte existieren nicht mehr.

Feuerwehrmänner suchen in den Ruinen von Mati nach weiteren Glutnestern.   | Foto: dpa
Feuerwehrmänner suchen in den Ruinen von Mati nach weiteren Glutnestern. Foto: dpa

ATHEN. Ein Feuersturm fegt durch dicht bewaldete Vororte im Osten der griechischen Hauptstadtprovinz Attika. Über 74 Menschen sterben, Hunderte Häuser werden zerstört. Ministerpräsident Alexis Tsipras spricht von einer "unbeschreiblichen Tragödie" und ruft eine dreitägige Staatstrauer aus. Möglicherweise war Brandstiftung im Spiel.

Mati war noch am Montagmorgen ein lebhafter Badeort 30 Kilometer östlich von Athen: Villen und Wochenendhäuser zwischen grünen Pinien, am Strand Hotels, Bars und Tavernen, ein malerischer kleiner Hafen für die Fischerboote und Segeljachten. Vor allem Athener verbringen in dieser Idylle gern die Wochenenden.

In der Nacht zum Dienstag rast dann ein Feuersturm durch den Ort. Luftaufnahmen zeigten am Morgen das Ausmaß der Zerstörung: schwarze Baumgerippe zwischen schwelenden Ruinen, die Straßen voller ausgeglühter Autowracks. "Mati existiert nicht mehr", sagte im Fernsehen eine Anwohnerin, die sich in letzter Minute retten konnte. Das Feuer war am Montagnachmittag bei der Ortschaft Neos Voutsas am Osthang des Penteli-Bergmassivs ausgebrochen. Heftige Westwinde ließen die Brandherde schnell zu einer riesigen Feuerwalze anwachsen. "Zwei Stunden haben wir vergeblich auf die Feuerwehr gewartet, während die Feuerwand immer näher kam", berichtet Stefanos Varlamis. Dann ergriff er mit seiner Frau und zwei Kindern die Flucht vor den Flammen. "Unser Haus ist abgebrannt, aber wir haben wenigstens unser Leben gerettet", sagt der 43-Jährige.

Mindestens 74 Menschen kamen in der Flammenhölle ums Leben, so die offiziellen Angaben vom Dienstagabend. Aber die Zahl der Toten dürfte weiter steigen, wenn alle ausbrannten Häuser durchsucht sind. Viele Menschen versuchten, in ihren Autos dem Inferno zu entkommen. Andere liefen zu Fuß um ihr Leben – und fanden den Tod. Bei Tagesanbruch entdeckten Feuerwehrleute auf einem abgebrannten Feld 25 Leichen. Die Menschen, darunter Frauen und Kinder, hatten offenbar versucht, vor dem Feuer ans Meer zu fliehen. Nur 30 Meter vor dem rettenden Ufer wurden sie vom Rauch und den Flammen überwältigt. Viele von ihnen hielten sich umarmt. "Es war ein erschütternder Anblick", berichtet ein Helfer unter Tränen.

Andere schafften es bis ans Meer. Ausflugsschiffe und Fischerboote brachten im Laufe der Nacht mehr als 700 Menschen von den Stränden in Sicherheit. Kriegsschiffe kreuzten vor der Küste, um Überlebende aufzunehmen. Rettungshubschrauber kreisten über dem Meer und suchten mit starken Scheinwerfern die Wasseroberfläche ab. Die Überlebenden wurden zur Hafenstadt Rafina gebracht, wo zahllose Menschen verzweifelt Ausschau nach Verwandten und Freunden hielten.

Über die Brandursache gibt es noch keine Erkenntnisse. Anwohner berichten, die Flammen seien an einem Dutzend Brandherden gleichzeitig aufgelodert. Das könnte auf Brandstiftung hindeuten. In Griechenland kommt es häufig vor, dass Grundstücksspekulanten versuchen, mit Feuer "wertloses" Waldland in lukrativen Baugrund zu verwandeln.

Die Tragödie zeigt einmal mehr die Versäumnisse Griechenlands beim Katastrophenschutz. Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern gibt es kein flächendeckendes Netz kommunaler Feuerwehren. Dieser Mangel zeigte sich schon während der verheerenden Waldbrände auf dem Peloponnes im Jahr 2007. Damals kamen 73 Menschen ums Leben.

Ressort: Panorama

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