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Tierdrama

Wie ein Graf in Thüringen zu tausend Kaninchen kam

Bernhard Honnigfort
  • Do, 05. November 2015, 00:00 Uhr
    Panorama

     

14 Kaninchen wollte ein veganer Adeliger in Thüringen retten. Aus 14 wurden 40 – dann kamen Einbrecher und alles geriet außer Kontrolle.

Wie die Karnickel - Kaninchen vermehren sich rasant.  | Foto: dpa
Wie die Karnickel - Kaninchen vermehren sich rasant. Foto: dpa
Ende Mai war es passiert und als sich Matthias Breitenbach damals ansah, was die Einbrecher auf seinem Schloss Unterlind in Sonneberg in Thüringen angerichtet hatten, musste der Hausherr nur ein wenig in die Zukunft rechnen, um sich auszumalen, was da noch für ein Schlamassel auf ihn zukommen würde: Hundert Weibchen, ein Weibchen bringt acht bis neun Junge zur Welt – auweia.

Nun ist es genau so gekommen, wie berechnet. Der 43 Jahre alte Schlossbesitzer hat rund tausend Kaninchen auf seinem Grund, weiße, braune, gescheckte, alle Farben. Die meisten hoppeln frei in der Gegend herum, die Nachbarschaft reagiert teilweise gereizt, einige schießen sich, so vermutet der Adelige, nun ihren Sonntagsbraten im eigenen Garten. Dabei wollte er nur einer alten Nachbarin helfen, die sich nach einem Sturz nicht mehr um ihren Garten und ihre Tiere kümmern konnte. Also übernahm er im Frühjahr ihre 14 Kaninchen und kümmerte sich um sie.

Breitenbach, ein Graf aus altem württembergischen Adel, der mit Schlössern und Oldtimern handelt, hat Zeit und Möglichkeiten, außerdem, so schrieb die Sächsische Zeitung ausführlich über ihn und sein großherziges Tun, sei er ein "Helfertyp" und "Veganer". Aus den 14 Kaninchen wurden schnell 40 und dann kam jene Nacht Ende Mai, als Einbrecher aufs Schloss kamen und sich den üblen Scherz erlaubten, die sorgsam voneinander getrennten Männchen und Weibchen frei und damit der Kaninchennatur ihren Lauf zu lassen. Es herrschte das hoppelnde Chaos. "Wir haben kaum welche erwischt", berichtete der Graf der Sächsischen Zeitung über den Tag nach dem Einbruch. Er hat damals Anzeige erstattet, aber der Fall ist bislang ungeklärt. Die Täter finden es wahrscheinlich heute noch wahnsinnig komisch. "Sie haben das Gehege geöffnet, geraucht und sich erleichtert", sagte Breitenbach.

Einige Karnickel konnten er und seine Mitarbeiter einfangen, aber eben längst nicht alle. Etwa 300 Kaninchen hält er heute in Ställen, der Rest hat sich selbständig gemacht und besiedelt das Anwesen und die Sonneberger Nachbarschaft, wie es ihm passt. Und vermehren tun sich die Kaninchen natürlich weiter wie die Karnickel. Die Sache ist aus dem Ruder, der Schlossherr gibt mittlerweile 70 Euro pro Tag für Futter aus, macht 2100 Euro im Monat und eine Menge Gerede. Im örtlichen Supermarkt ist er natürlich ein gern gesehener Kunde an der Gemüsetheke, wo er Möhren und Radieschen gleich kistenweise kauft. In Sonneberg halten etliche ein derartiges Ausmaß an Tierliebe für verrückt, die Sächsische Zeitung spricht von einem "Luxusproblem" und von "Hohn". Andererseits: Seine Not mit den Nagern hat sich herumgesprochen, es hat Hilfsangebote gegeben, aber meist solche, die der vegane Schlossherr nicht annehmen mochte. Es gab Anfragen, ihm Kaninchen abzunehmen, es gab sogar das Angebot von Falknern, die ihre Jagdübungen auf seinem Anwesen abhalten wollten. Aber nein. Breitenbach gibt nur in Gruppen ab sechs Tieren ab, weil Kaninchen sich im Rudel am wohlsten fühlen. Und unter der Zusage, dass sie frei herumlaufen dürfen. Eine Lösung ist daher nicht in Sicht. In der Zwischenzeit machen die Kaninchen, was Kaninchen so machen. Sie treiben es auf die Spitze.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 05. November 2015: PDF-Version herunterladen

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