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"Diese Industrie ist so leer"

  • Fr, 27. April 2018
    Schülertexte

     

Zischup-Interview mit Kera Rachel Cook, die aus der Model-Branche ausgestiegen ist.

Ein Maßband verhilft einem nicht zu einem gesunden Körpergefühl.  | Foto: dpa/Robert Cook
Ein Maßband verhilft einem nicht zu einem gesunden Körpergefühl. Foto: dpa/Robert Cook

Kera Rachel Cook ist ein Ex-Model aus Tübingen, 30 Jahre alt. Sie nahm an der fünften Staffel der TV-Show "Germany’s hext Topmodel" teil und litt lange Zeit an einer Essstörung. Die Schülerreporterinnen des Hans-Furler Gymnasiums in Oberkirch interviewten sie über ihre Modelllaufbahn sowie ihre schwere Vergangenheit. Das Interview führten Sophie Ganter, Clara Wacker und Sara Zivkovic, Schülerinnen der Klasse 7a.

Zischup: Sind Sie jetzt glücklich mit ihrem Leben?
Kera: Ich bin jetzt superglücklich mit meinem Leben. Ich bin einfach so dankbar mit meinem jetzigen Leben und möchte auf keinen Fall mit einem Model tauschen. Auch für kein Geld der Welt.
Zischup: War es Ihr Kindheitstraum, Model zu werden?
Kera: Nein, ich wollte immer Schauspielerin werden, weil ich es toll fand, in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Das Modeln kam eher so als Zufall, denn ich habe eine Ausschreibung in einer Mädchenzeitschrift gesehen, die mich neugierig gemacht hat.
Zischup: Wie hat es sich für Sie angefühlt, als Heidi Klum Ihnen mitgeteilt hat, dass Sie die Show verlassen müssen?
Kera: Ich habe es schon geahnt, da ich öfters Kritik wegen meiner Figur bekommen habe. Trotzdem war es ein sehr blödes Gefühl. Ich habe mich wie der letzte Versager gefühlt. Ich dachte damals nicht, dass irgendetwas mit dem System der Show nicht stimmt, sondern mit meinem Aussehen. Ich war total am Ende.
Zischup: Wie hat Ihre Essstörung angefangen?
Kera: Meine Essstörung hat damit angefangen, dass ich mit 15 Jahren ein Angebot von einer Modelagentur bekommen habe. Eine Bedingung war, dass ich abnehmen muss. Ich ging ziemlich oft in der Woche ins Fitnessstudio und machte strenge Diät. Allerdings hielt ich das nicht lange aus und bekam Fressattacken. Danach hatte ich immer ein schlechtes Gewissen und ging die Tage darauf noch länger ins Fitnessstudio, um alles wieder aufzuholen. Meistens war es so, dass ich bis zum Abend nichts aß und dann wieder Fressattacken bekam. So wiederholte sich das und wurde Teil meines Lebens.
Zischup: Wie finden Sie das heutige Schönheitsideal, welches die Gesellschaft prägt?
Kera: Es ist überperfekt. Als normaler Mensch kann man dieses gar nicht erreichen. Vieles wird auch bearbeitet. Die Medien schreiben der Gesellschaft vor, schlank und dürr auszusehen. Und unser heutiger Medienkonsum ist relativ hoch.
Zischup: Wie haben Sie es geschafft, sich selbst und Ihren Körper zu akzeptieren?
Kera: Durch die ganzen Therapien wurde mir schon sehr geholfen, doch ich habe immer noch nicht zu mir selbst gefunden. Gut getan hat mir die Erkenntnis, dass ich gut bin, wie ich bin. Mit meinen Ecken, Kanten und allen Makeln, die völlig in Ordnung sind, denn sie gehören einfach zu mir und machen mich einzigartig.
Zischup: Wie war Ihre Zeit als Plus-Size Model?
Kera: Ich war damals zufriedener als zuvor. Doch es gab auch als Plus-Size-Model bestimmte Schönheitsideale, die eben nicht auf schlank basierten. Die Agenturen behandelten uns, ich spreche hier auch aus der Sicht der anderen Models, wie Gegenstände. Unsere eigenen Meinungen waren nicht wichtig. Wir mussten stets ein nettes Lächeln auf den Mund zaubern und schluckten die Kritik immer hinunter.
Zischup: Haben Sie sich als Model wohlgefühlt?
Kera: Nie, weder als richtiges Model noch als Plus-Size-Model. Weil ich nie wirklich perfekt war, es wurde immer an meiner Figur kritisiert. Kein Model fühlt sich wirklich wohl mit dem, was sie macht. Am Anfang ist alles gut. Doch selbst wenn die Agentur total zufrieden mit dir ist, kann es sein, dass du beim nächsten Mal nicht mehr genommen wirst. Dann fragt man sich natürlich, ob man nicht perfekt ist oder ob man etwas falsch gemacht hat. So kommt es schnell dazu, dass man sich in seinem eigenen Körper nicht mehr wohl fühlt. Deshalb habe ich für mich die Entscheidung gefällt, dass ich nicht mehr als Model arbeiten will.
Zischup: Was wollen Sie mit Ihrem Buch "Hässliches Entlein war gestern" erreichen und welche Botschaft steckt dahinter?
Kera: Im Buch schildere ich Erfahrungen und Entwicklungen meiner Essstörung. Ich habe das Buch so genannt, da meine Mutter mich früher so genannt hat, weil sie nicht wollte, dass ich arrogant werde. Außerdem möchte ich die Menschen mit einer Essstörung ermutigen und klar machen, dass es auch einen Weg hinaus gibt.
Zischup: Wie kam es dazu, dass Sie komplett aus der Modelbranche ausgestiegen sind?
Kera: Ich bin ausgestiegen, weil diese Industrie so leer ist, der Charakter kommt bei einem Model gar nicht zur Geltung. Irgendwann war ich so genervt von dieser ganzen Oberflächlichkeit, dass ich gesagt habe, ich ertrage das nicht mehr.
Zischup: Was ist Ihr Lebensmotto?
Kera: Glücklich ist das neue Schön, weil das auch gut meine Vergangenheit beschreibt. Es ist viel wichtiger, glücklich als schön zu sein.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 27. April 2018: PDF-Version herunterladen

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