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Die Härte

Simon Langemann
  • Di, 06. März 2018
    Rock & Pop

     

Deutschlands derzeit erfolgreichste Gangstarapper Strassenbande 187 in der Freiburger Sick-Arena.

HipHop-Familie mit nicht ganz blütenreinem Führungszeugnis: Strassenbande 187  | Foto: Veranstalter
HipHop-Familie mit nicht ganz blütenreinem Führungszeugnis: Strassenbande 187 Foto: Veranstalter
"Verpiss dich von meinem Arm", ruft ein schmächtiger Jugendlicher, den zwei Security-Mitarbeiter gerade der Freiburger Sick-Arena verwiesen haben, um ihn nun im etwas übertrieben fest anmutenden Griff in Richtung Geländezufahrt abzuführen. Fünf Minuten später entdecken die Türsteher in der schicken Winterjacke eines Anfangzwanzigers einen Schlagstock, zerreißen seine für stolze 40 Euro erworbene Karte und wünschen ihm einen schönen Abend.

"Irgend so ein Junge hat mein Ticket geklaut", weint kurz darauf ein kleiner Junge in einer Trainingshose des FC Bayern. Doch da er keinen Ausweis dabei hat, wäre es ohnehin schwierig geworden mit dem Einlass. Denn wenn die 187 Strassenbande – Deutschlands derzeit größte und zugleich glaubwürdigste Gangsta-Rap-Gruppe – ein Konzert gibt, ist für den Sicherheitsdienst höchste Genauigkeit geboten.

Für jene paar Tausend, die es in den Saal geschafft haben, gibt es um kurz vor halb neun kein Halten mehr: Bonez MC und Gzuz, die zwei populärsten Gesichter der Hamburger Crew, treten hinter dem mit Graffiti besprühten Bühnenbild hervor und spielen "Mit den Jungs", eine Single aus dem vergangenen Jahr. Nach wenigen Minuten sind die Themenfelder des Abends abgesteckt: harte Drogen, scharfe Waffen, Gewalt, Gefängnisaufenthalte, Partys – und Frauen als temporäre Lustobjekte. "Für manche ist es asozial, für andere ist es Kunst", fasste Gzuz schon 2015 im Song "Lebende Legenden" das Phänomen Strassenbande lapidar zusammen. Wobei der Hype um die polizeibekannten Rapper aus St. Pauli seither noch einmal beachtlich gewachsen ist.

Von perspektivlosen Außenseitern der Gesellschaft zu Chartrekorde brechenden Jugendidolen: Es ist eine Geschichte, wie sie im Deutschrap zuvor nur Aggro Berlin geschrieben hat. Vergleichbar mit dem 15 Jahre zurückliegenden Aufstieg des Labels um Sido, Bushido und Fler ist auch die Tatsache, dass man die Strassenbande für ihren Sexismus verabscheuen, doch gleichzeitig für ihre kompromisslose Härte abfeiern möchte. Wobei nicht auszuschließen ist, dass das 90-minütige Konzert auch deshalb so viel Spaß macht, weil man im heftigen Wummern der Bässe nicht jede Einzelheit versteht.

Musikalisch schwer zu ertragen sind Bonez MCs gelegentliche Ausflüge in Richtung Dancehall, die vor allem seinem gemeinsam mit dem Rapper RAF Camora aufgenommenen, 2016 erschienenen Album "Palmen aus Plastik" entstammen. Gleichwohl fügen sie der sonst so düsteren Straßenrap-Show eine willkommene Brechung hinzu: Mimten seine Mitstreiter gerade noch authentisch die bösen Jungs, schwenken sie im nächsten Moment ihre Handtücher im Konfettiregen. Performen die verhältnismäßig weniger berühmten Gangmitglieder LX und Maxwell einen Song ihrer Platte "Obststand" von 2015, verschwindet Aushängeschild Gzuz nicht hinter der Bühne, sondern steigt auf das Podest im Hintergrund, um eine riesige 187-Flagge zu schwenken. Die Strassenbande lebt von ihrem Teamgeist – das gilt nicht nur für das echte Leben, in dem jeder Knastaufenthalt eine Solidaritätskampagne und jede Haftentlassung eine direkte Wiedereingliederung mit sich bringt, sondern eben auch für ihre Liveshows.

Zumal die Hamburger offenbar sowieso zu hungrig sind, um sich auf ihrem Status auszuruhen und einfach abzuliefern. "Ihr gebt uns Energie, wir geben euch Energie", richtet Bonez MC zu Beginn das Wort an die Fans – und hält Wort. Von der Lustlosigkeit, die etwa der vergleichbar umjubelte Künstler Haftbefehl bisweilen an den Tag legt: keine Spur. Und darin spiegelt sich eine der zentralen Stärken der 187 Strassenbande wider: Ihre Mitglieder sind nicht die erfolgreichsten Gangstarapper dieses Landes geworden, weil sie handwerklich so viel besser oder künstlerisch so viel spannender sind als die Konkurrenz. Sondern weil sie es einfach ein bisschen mehr wollten.

Ressort: Rock & Pop

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 06. März 2018: PDF-Version herunterladen

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