Das bisschen Glück der kleinen Leute
Wiederentdeckt: "Die Borger" von Mary Norton.
Der Fischer Verlag hat diesen Klassiker der Nachkriegskinderliteratur von Mary Norton neu aufgelegt und sich dafür die Illustrationen der polnischen Ausgabe, nun ja, nicht gerade geborgt, aber übernommen. Eine gute Idee. Illustratorin Emilia Dziubak nimmt sich erfrischende Freiheiten bei der Gestaltung der Charaktere: Borger-Papa Pod sieht aus wie der dicke Nerd-Bruder seiner Tochter Arrietty. Deren unbändiger Abenteuerlust verschafft Dziubak die passende Rote-Zora-Mähne, und der Menschenjunge, der sie entdeckt, erinnert ein bisschen an den jungen Roger Daltrey. Nur Borger-Mutter Homily verweist kittelschürzig und hochtoupiert auf das Jahr 1952, in dem das Kinderbuch erstmals erschien.
Diese sanfte Modernisierung ist durchaus angemessen. Denn Mary Nortons Kinderbuch hat nichts Angestaubtes. Die Geschichte ist als Erzählung in der Erzählung modern verschachtelt und lässt angenehm im Ungewissen, ob Dinge wie Nähnadeln oder Knöpfe einfach verloren gehen oder von kleinen Wesen gemopst werden. Der Aufbau mag für heutige Gepflogenheiten etwas gemächlich sein, aber wie sollte man sonst nachvollziehen können, wie unendlich mühsam kleine Leute sich ihr bisschen Glück jahraus jahrein zusammentragen und bei sich bietender Gelegenheit auch mal ziemlich gierig werden? Außerdem ist diese Geschichte nur der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Sequels, deren Kern, auch das sehr aktuell, immer Vertreibung und Flucht sind. Eine schöne Wiederentdeckung.
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