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"Bei uns entscheidet jeder mit"

  • Fr, 03. Mai 2019
    Schülertexte

     

ZISCHUP-INTERVIEW mit Karsten Kannengießer vom Freiburger Theater im Marienbad über die Themensuche für Stücke.

Szene aus dem Theaterstück „Girl...t und breit kein blinkendes Smartphone  | Foto: Minz & Kunst Photography
Szene aus dem Theaterstück „Girls like that“: weit und breit kein blinkendes Smartphone Foto: Minz & Kunst Photography

Lara Noth und Chiara Zech, Schülerinnen der Klasse 9c der Neunlinden-Schule in Ihringen, haben sich zusammen mit ihrer Klasse im Freiburger Theater im Marienbad das Stück "Girls like that" angesehen. Danach hatten sie Gelegenheit mit Karsten Kannengießer zu sprechen. Er arbeitet am Theater.

Zischup: Was für einen Beruf haben Sie hier im Theater?
Kannengießer: Ich habe mehrere Berufe, da wir ein sehr kleines Team sind. Ich mache Theaterpädagogik, bin also der Kontakt für Lehrer und Schüler, die hierher kommen wollen. Dann mache ich Marketing, also Werbung, Plakate, Programme drucken und das Gestalterische. In der Pressearbeit empfange ich zum Beispiel die BZ oder den SWR, vermittle Interviews und möchte natürlich, dass unsere Vorstellungen besprochen werden, wenn wir Premieren haben.

Zischup: Wie sind die Rückmeldungen auf die Theaterstücke?
Kannengießer: Meist positiv, wie etwa bei "Die besten Beerdigungen der Welt" oder eben "Girls like that", was uns natürlich freut. Aber auch negative Rückmeldungen sind immer gute Rückmeldungen. Auch im Nachhinein können wir noch am Stück arbeiten. Wie zu Beginn bei "Girls like that". Da haben wir mit vielen Klassen im Nachhinein gesprochen, und von vielen kam dann: "Oh, das war schwierig zu verstehen" oder "Das war irgendwie gar nicht gut." Das können wir aufnehmen und mit der Regie nochmals über das Konzept nachdenken.

Zischup: Wie sind Sie auf das Theaterstück "Girls like that" gekommen?
Kannengießer: Das Tolle, was unsere Arbeit als Ensemble und eigenständiges Theater ausmacht: Bei uns entscheidet eigentlich jeder im Haus mit. Das Stück "Girls like that" von Evan Placey hat 2016 den baden-württembergischen Jugendtheater-Preis gewonnen, der alle zwei Jahre vergeben wird. Wir sprechen mit jungen Leuten darüber, was sie im Alltag beschäftigt. Ganz häufig war es das Smartphone. Da ist uns dieses preisgekrönte Stück in den Sinn gekommen, und – das ist sehr selten – alle Mitarbeiter haben gesagt: "Fantastisch, das wollen wir machen! Der Text bewegt nicht nur uns, sondern sicher auch Jugendliche."

Zischup: Wie finden Sie das Theaterstück?
Kannengießer: Ich sehe das ein bisschen ambivalent, positiv und negativ, denn selbstkritisches Denken ist sehr wichtig am Theater! Es ist ein wahnsinnig spannendes Stück, um mit jungen Leuten ins Gespräch zu kommen, wie schnell sich Dinge im Internet und den sozialen Medien verselbstständigen können. Da es an einer Mädchenschule spielt, fragt man sich, sind Mädchen anders als Jungs? Im Endeffekt gibt es keine ultimative Antwort darauf. Das Stück bietet ein Bild an, Mädchen funktionieren so und Jungs so. Das Stück ist aber eine Karikatur und will das Publikum provozieren. So wie Jungen und Mädchen dargestellt werden, ist nicht, wie wir annehmen, wie sie sind, sondern sie werden natürlich überspitzt dargestellt, um zum Nachdenken anzuregen. Wir merken in Nachgesprächen, da passiert viel mit jungen Menschen, egal, ob sie sich verletzt oder herausgefordert fühlen oder ob sie einfach ins Denken kommen.

Zischup: Wie kam das Graffiti ins Bühnenbild?
Kannengießer: Für "Girls like that" haben wir ins frühere Schwimmbadbecken ein kleineres Becken aus Holz gebaut. Bernhard Ott, der Bühnenbildner, hat sich überlegt, was zum Stil und zur Zeitlichkeit des Stücks passen könnte. Er hat Graffiti-Artisten eingeladen, die sich in junge Menschen versetzten, frei austobten und ihre Botschaften sprayen sollten.

Zischup: Welche Ausbildung muss man haben, um überhaupt Theater spielen zu dürfen?
Kannengießer: Schauspieler kann man über viele Wege werden. Es ist von Vorteil, wenn man gut in Deutsch oder in einer Theater-AG war. Im Regelfall geht man nach seinem Schulabschluss auf eine private oder öffentliche Schauspielschule. Bei der staatlichen muss man eine schwierige Aufnahmeprüfung machen, bei der man zeigen muss, ob man ein Instrument spielen, ob man tanzen kann, wie man sich Texte merkt und mit ihnen umgeht. Dort macht man einen anspruchsvollen Abschluss. In unserem Haus haben wir feste Schauspielerinnen und Schauspieler sowie freie, die sich immer wieder neu auf Stücke bewerben. Schauspieler zu sein ist nicht leicht, weil man sich ständig neu beweisen muss.

Zischup: Ab wie viel Jahren darf man im Marienbad schauspielern?
Kannengießer: Das kommt auf das Stück an. Bei "Girls like that" waren die Schülerinnen recht jung, Anfang bis Mitte 20. Das sind die Jüngsten im Haus. Generell bietet es sich aber an, volljährig zu sein.

Zischup: Wie lange braucht es, ein Theaterstück wie "Girls like that" zu proben?
Kannengießer: Die Proben dauern im Regelfall rund acht Wochen. Dem voraus geht aber schon eine Planung: Wer spielt mit? Was wird gespielt? Wie sieht das Bühnenbild aus?

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 03. Mai 2019: PDF-Version herunterladen

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