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Eva Stories

Wie eine Instagram-Story das Gedenken an den Holocaust aufrecht erhalten will

Anika Maldacker
  • Fr, 10. Mai 2019, 17:43 Uhr
    Kultur

Mit einer Instagram-Story das Gedenken an den Holocaust wach halten: Ein israelischer Multimillionär stellt die Geschichte der 13-jährigen Éva Heyman, die von den Nazis ermordet wurde, im Internet dar.

Durch die großflächige Werbeaktion für...lichung schon mehr als 300.000 Nutzer.  | Foto: dpa
Durch die großflächige Werbeaktion für „Eva.Stories“ in Israel, hier in Tel Aviv, folgten dem Instagram-Profil zu Beginn der Veröffentlichung schon mehr als 300.000 Nutzer. Foto: dpa
Es braucht nur wenige Wochen, bis in Éva Heymans Leben nichts mehr ist wie zuvor. Am 13. Februar tanzt sie in ihrer Instagram-Story noch leichtfüßig durch die Wohnung ihrer Großeltern. Am 25. Februar isst Éva mit ihrem Schwarm Eis. Zwei Monate später ist alles anders. In einem verwackelten Clip weint die 13-Jährige, an ihre Oma gelehnt. Die beiden stehen zusammengepfercht in einem dunklen Zugwaggon. Er fährt gen Auschwitz. Im Oktober desselben Jahres stirbt Éva im Konzentrationslager, ermordet von den Nationalsozialisten. Es ist 1944. Es ist Fiktion und – Wahrheit.

Das Instagram-Profil "Eva.Stories" ist ein Experiment anlässlich des israelischen Gedenktags an den Holocaust Anfang Mai. Dort wird die Geschichte des jüdischen Mädchens Éva Heyman erzählt – und die Frage aufgeworfen, wie der Holocaust in sozialen Netzwerken hätte dargestellt werden können. Wie hätte wohl ein jüdischer Teenager, ausgestattet mit einem Smartphone, das Grauen, das ihm angetan wird, mit der Kamera festgehalten?

Éva ist durch die heranrückenden Nazis beunruhigt

Die Social-Media-Erzählung basiert auf dem Tagebuch von Éva Heyman, die im Juni 1944 aus der damals ungarischen Stadt Nagyvárad, heute Oradea in Rumänien, nach Auschwitz deportiert wurde. Sie führte von 13. Februar 1944, ihrem 13. Geburtstag, bis 31. Mai Tagebuch. Danach verstummt sie. Ihr Tagebuch schmuggelte die Haushälterin aus dem Ghetto. Évas Geschichte beginnt im bourgeoisen Umfeld ihrer Familie. Die Nationalsozialisten rücken immer näher. Ihre Cousine wurde schon deportiert. Der Judenhass ist auf der Straße spürbar. Als die Nazis Ungarn besetzen, muss Évas Großvater seine Apotheke schließen, die Familie ins Ghetto ziehen. Bald darauf wird sie nach Auschwitz deportiert.

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Eva.Stories Official Trailer

Ein Beitrag geteilt von Eva (@eva.stories) am Apr 28, 2019 um 4:36 PDT



Hinter dem Projekt stecken der israelische Tech-Multimillionär Mati Kochavi und seine Tochter Maya. Sie haben ein neues Format des Gedenkens produziert. Kochavi finanzierte das Projekt selbst. Mehrere Millionen Dollar soll es gekostet haben, mehr als 400 Menschen waren beim Dreh in der Ukraine beteiligt. In die Rolle der Éva schlüpfte die britische Schauspielerin Mia Quiney. Schon vor der Veröffentlichung folgten dem Profil 360.000 Nutzer, auch wegen der großflächigen Werbeoffensive in Israel. Bis jetzt sind es 1,7 Millionen Nutzer.

Wie kann das Gedenken an den Holocaust aufrecht erhalten werden?

Diese Art der Auseinandersetzung mit dem Holocaust dürfte es so vorher noch nicht gegeben haben. In 27 Kurzfilmen mit verschiedenen Einstellungen und Schnitten erhalten die Zuschauer Einblicke in Évas Welt – im typischen Instagram-Stil mit Smileys, verwackelter Optik und Kommentaren. Die Clips hat Éva-Darstellerin Mia Quiney alle selbst mit dem Smartphone gefilmt.

Mit der Instagram-Story über Évas Leben hat Kochavi, der selbst aus einer Familie Holocaust-Überlebender stammt, ein modernes Format für das Gedenken an den Holocaust ausprobiert. Mit dieser Erzählform will er Jugendliche erreichen, sagt er in einem Interview mit der israelischen Zeitung Haaretz. Ihn trieb die Frage um, wie das Gedenken an den Holocaust lebendig gehalten werden kann, wenn die letzten Zeugen alle verstummt sein werden.

Das Format stieß nicht überall auf Begeisterung. Eva.Stories wirft die Frage auf, ob es angebracht ist, den Holocaust in kurze Clips zu packen, mit Hashtags zu versehen und Geotags wie #Ghetto einzubinden. Ist eine würdige Gedenkkultur möglich? Für Kochavi sicher ja, denn die Alternative hieße, den Holocaust und die Berichte der Zeugen zu vergessen.
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Ressort: Kultur

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 11. Mai 2019: PDF-Version herunterladen

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