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Freiburg

Randsportart: Rollerderby in Freiburg

Otto Schnekenburger (Der Sonntag)

Von Otto Schnekenburger (Der Sonntag)

Mo, 08. Mai 2017 um 13:04 Uhr

Freiburg

Eigentlich zu absurd, um wahr zu sein: die Freiburger Block Forest Roller Girls und ihr Vollkontaktsport Roller Derby. Rollschuhe, Helme und Mundschutz sind die Zutaten für diesen Randsport.

Roller Girls in Aktion  | Foto: Benedikt Nabben
Roller Girls in Aktion Foto: Benedikt Nabben
Sie brauchen bis zu sieben Schiedsrichter, Helme und Schienbeinschoner. Wer ihnen bei ihrem Derby zuschaut, fragt sich vielleicht, was denn die Rollhockeyspieler auf der Anlage der Bahnradfahrer verloren haben. Wo da der Ball ist, wo sie ihre Schläger gelassen haben. Und nicht zuletzt, warum es fast nur Frauen sind, die sich hier einem Sport hingeben, in dem es mitunter nicht gerade zimperlich zugeht. Männer sind im Roller Derby so selten anzutreffen, dass es für einen solchen Fall sogar einen niedlich klingenden Extra-Namen gibt: Merby, also Men’s Roller Derby.

Auch in Freiburg sind Roller Girls am Start (Foto-Galerie). Genauer gesagt, die "Block Forest Roller Girls". Freitagabend, 20.30 Uhr, eine Kneipe im Norden der Stadt: Am Tisch gegenüber sitzen "Tonks", "Bra C" und "Verus Vulvus". "Tonks" ist 23 Jahre alt, heißt im normalen Leben Edda Gröber und ist Studentin, "Bra C" kennen die Schüler der 27 Jahre alten Sonderpädagogin als Victoria Lüer, "Verus Vulvus" ist 23 und als Vera Fischer an der Uni eingeschrieben. Das Trio ist die Abordnung der Roller Girls, das dem Zeitungsmann vor seinem Trainingsbesuch schon mal was über das Roller Derby an sich erzählt.

Edda Gröber, Victoria Lüer und Vera Fischer sind weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen. Obwohl das bei ihren Duellen auf den Rollschuhen beides schon passiert sein könnte. Dem Berichterstatter wird schnell klar, dass er Klischees, die er trotz gegenteiliger Vorsätze mit ins Treffen nahm, ad acta legen kann. Ein wenig unfemininer und spröder hätte er sich seine Gegenüber schon vorgestellt. Schlagfertig und selbstironisch, dabei aber immer auch mit gehörig Leidenschaft für die Sache, erzählt das Trio von seinem Sport. "Verdammt coole Säue", schießt es ihm durch den Kopf.

"Es ist für mich mehr als Sport", sagt Victoria Lüer. Folgt jetzt eine Ode an das Spiel, wird sie gleich erzählen, dass Roller Derby so etwas wie Schach, Fußball und Drachenfliegen zugleich ist? Nein, Victoria Lüer meint "nur", dass die jungen Frauen, die sich den Block Forest Roller Girls angeschlossen haben, hier nicht nur trainieren und spielen. "Wir organisieren uns ja selbst, viele haben andere Aufgaben, sind etwa für die Auswärtsfahrten oder die Presse zuständig. Lüer ist Trainerin und für die Spiele und Events verantwortlich. Sie hat schon in Bremen Roller Derby gespielt, hat vielen der Roller Girls Erfahrung und Können voraus.

Vera Fischer und Edda Gröber wiederum haben einen, so könnte man sagen, typischen Einstiegsweg ins Roller Derby genommen. Sie haben nämlich den Film "Whip It" gesehen. Einen Streifen, den alle am Tisch als "ganz schönen Kitsch" einstufen, der aber ungeachtet dessen offensichtlich Lust auf mehr macht. Es wird erzählt, wie das in einem texanischen Kaff lebende Mädchen Bliss Cavendar (Ellen Page) durch den Roller-Derby-Sport zu einem neuen Selbstbewusstsein findet. Drew Barrymore feierte 2009 mit "Whip It" (Deutsch: "Roller Girl") ihr Regiedebüt und war zudem als Produzentin und Schauspielerin tätig. "Eigentlich hielt ich es für zu absurd, das es so einen Sport überhaupt gibt", sagt Fischer. "Aber dann habe ich es gegoogelt und gestaunt, dass sogar in Freiburg ein Verein existiert."

Ursprünge des Sports kommen aus den USA der 30er Jahre

Und wozu die abgefahrenen Namen? Edda Gröber erzählt, dass "Tonks" auf eine Harry-Potter-Figur, auf eine Hexe mit sehr wandelbarem Äußeren, zurückgeht. Die Skaterin und Trainerin Bella von Smekal wiederum hat den Namen "Einhorst" bekommen, weil das die Grazie und Eleganz des Einhornes mit der Verpeiltheit eines Horstes vereine. Die Skaterin Alke Braeuer heißt schlicht "hulké", weil das so gefährlich klingt, und die Skaterin Tatiana Graf heißt auch nach ein Punksong "Ultraviolencia".

Die Namen der Spielerinnen erzählen nämlich auch etwas von der Wiederbelebung von Roller Derby als Frauensport in den 90er Jahren. Sie hatte in der Punk- und in der feministisch-subkulturellen Riot-Grrrl-Bewegung ihre inspirierenden Quellen. Seine Ursprünge hat der Vollkontaktsport in den Vereinigten Staaten und in den 30er Jahren. In der Nachkriegszeit waren die Roller Derbys ähnlich dem Wrestling eher eine Schausportart mit chauvinistischen Zügen. Die Wiederbelebung war also auch eine Umdeutung, und die gefiel vielen der Freiburger Roller Girls.

Freitagabend 22.15 Uhr, Jahnhalle beim Bürgerhaus im Freiburger Stadtteil Zähringen: Andere gehen langsam schlafen oder sitzen nach ihrem Training schon beim Bier, bei den Block Forest Roller Girls hat die Übungseinheit erst vor kurzem angefangen. Auch montags um 21 Uhr in Landwasser gibt es ein Training, donnerstags um 20 Uhr trainieren die Anfängerinnen in Landwasser.

An ihrem Stern auf dem Helm könnt ihr sie erkennen. Gemeint sind die Jammerinnen, die Spielerinnen, die die Punkte machen für ein Team beim Roller Derby. Eine Jammerin und vier Blockerinnen schickt jedes Team pro Durchgang auf den Track (das Spielfeld). Sie starten hinten, vor ihnen laufen die Blocks der beiden Teams in Kreisen, die an das Bahnradfahren erinnern. Punkte sammeln die Jammerinnen nun durch das Passieren der gegnerischen Blocks. Was diese natürlich zu verhindern suchen, wofür es neben dem Einsatz des eigenen Körpers auch diverse taktische Tricks und Kniffe gibt.
"Auch bei den Wettkämpfen ist Fairness ganz wichtig, wir sehen auch die anderen Teams als Freunde und nicht als Konkurrenten", Victoria Lüer
Die Achtsamkeit und Rücksichtnahme, die in diesem schnellen Sport herrschen, ist eines der ersten Dinge, die beim Training auffällt. Zunächst einmal gibt es eine Vielzahl von Regeln, die klären, was alles nicht geht. Treten, aber auch in den Rücken zu fahren oder mit den Ellenbogen oder den Knien zu stoßen. Aber auch darüber hinaus passen die jungen Frauen bei allem Einsatz schon aufeinander auf. Das ist nicht nur im Training so. "Auch bei den Wettkämpfen ist Fairness ganz wichtig, wir sehen auch die anderen Teams als Freunde und nicht als Konkurrenten", sagt Victoria Lüer.

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Und trotzdem: Ist Roller Derby nicht ein gefährlicher Sport? "Es ist überall doof, auf die Schnauze zu fallen", meint Edda Gröber. Beim Roller Derby lerne man auf jeden Fall, richtig zu fallen. Viel passiert sei in den vier Jahren, in denen es ein Freiburger Roller-Derby-Team gibt, jedenfalls noch nicht.
42 Frauen und auch ein Mann bilden derzeit die Block Forest Roller Girls. Die Jüngste ist 20, die Älteste 44. Erst ab 18 Jahren darf der Sport in Freiburg auch aus versicherungstechnischen Gründen ausgeübt werden, davor können Interessierte nur Mitglied werden. "Genau das mag ich aber, dass Frauen diesen Sport erst mit 18 anfangen", sagt Vera Fischer. Viele würden dann erst das Rollschuhlaufen lernen, daher ergebe es eine größere Chancengleichheit, es sei nicht so wie in anderen Sportarten, wo mitunter schon kleine Kinder von ihren Eltern ins Training geschickt werden.

Der Kader für ein Spiel umfasst 14 Skaterinnen

Nicht einmal das Rollschuhlaufen ist Voraussetzung. Im Anfänger-Training wird das Hinfallen und das Stabil-auf-den-Rollen-Sein gelernt. Ziel dabei ist das Bestehen des MST, des Minimum Skills Tests, mit dem der Fortgeschrittenen-Status erreicht wird. 15 Spielerinnen des Freiburger Teams haben diesen Status derzeit nur, deshalb wurde noch nicht für den bundesweiten Ligenbetrieb gemeldet. Denn obwohl immer nur fünf Spielerinnen pro Team gleichzeitig laufen, umfasst der Kader einer Frauschaft für ein Spiel 14 Skaterinnen. Hinzu kommen auf dem Feld neben bis zu sieben Schiedsrichtern, die alle Spezialaufgaben haben, auch noch bis zu 15 Non-Skating-Officials, die für Dinge wie Zeitnehmen oder Punkteaufschreiben zuständig sind.
Viele der Block Forest Roller Girls sind Studierende. Deshalb gibt es auch eine große Fluktuation. Und so sind die jungen Frauen auch immer wieder auf der Suche nach Neuzugängen. Jedes halbe Jahr gibt es dabei einen sogenannten Recruiting Day, auf dem neue Skaterinnen geworben werden. In zwei Wochen ist es wieder so weit.

Recruiting Day, Sonntag, 21. Mai, 15.30 Uhr, Jahnhalle Zähringen (Lameystr. 2), um vorherige Anmeldung unter der Adresse [email protected] wird gebeten.

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