Nightlife-Guru: 4 Elements @ White Rabbit

Mo, 15. März 2010 um 13:34 Uhr

…passiert nichts. Wer da was erleben will, muss ins Xerox oder ins Freiburger Universal D.O.G. Ich zahle entgegenkommend kalkulierte vier Euro und werde als Partygänger abgestempelt.
In letzter Zeit wartet das White Rabbit immer wieder mit Deko auf, bei der ich mich frage: yay or nay? Irgendwo zwischen kleinkindlicher Bastelstube, gut sortiertem Recyclinghof und hintersinniger bildsprachlicher Themendeutung. Heute gefällt’s, woran Jan Sosein Carl (Deko) und Akaido (Beamer) schuld sind.
Die neue Partyreihe macht es den beiden Augenmenschen aber auch leicht, orientiert sie sich doch an der good ol’ alchemistischen Tradition der vier Elemente – Feuer, Wasser, Luft, Erde. Im Anfang schuf Gott hieraus unsere Welt; Goethes Faust rührte damit Gold an.
Heute also Feuer, was Sosein dazu inspiriert hat, weiße Papierzungen von der Decke hängen zu lassen. Und was zuerst noch an wimpelförmige Stalaktiten erinnert, verwandelt den heimeligen Hasenbau zur wohligen Hölle, als der Beamer lodernde Flammen auf die Zellulosezipfel wirft.
Standesgemäß gekleidete Zimmermannies, Schwulesbies, Crashies, mit-Schirm-Scharm-und-Melonies, fruchtige Smoothies und honigsüße Sweeties, Hard-Techies, Rastafaris, Erstsemester-BeWeEllies, Szenies, Hippies und Hoppies, im Leben stehende Mid-Forties, Sprachstudis und Tussis.
Einmal im Quartal will die Audioguerilla also eines der vier Elemente thematisieren. Musikalisch soll das Ganze zwanglos zwischen verschiedenen elektronischen Genres wechseln – Downbeat, Elektrofunk, Deep- und Minimalhouse, Dubtech, Techno und Drum’n’Bass.

Den Anfang machen heute der Techno-Kraken Mr. Tentacles und der Frankfurter DJ Alexander Weinkamm. Schön, dass mit Vinyl aufgelegt wird; schön auch, dass darauf geachtet wird, die Sets richtiggehend aufzubauen und nicht einfach von Minute 1 an voll Karacho zu fahren.
Der Sound wird zunehmend härter, verliert sich aber nicht in Monotonie, sondern weiß abzuwechseln und zu unterhalten. Zwischendurch – ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen – wird Geblubber, Vogelgezwitscher und nicht genauer identifizierbares Kinder- oder Frauengekreische serviert. Irgendwie scheinen die White Rabbits an ihrer Anlage herumgeschraubt zu haben. Der Klang ist – Low Mid High – überraschend rund und angenehm.
Von Anfang an ist der Laden voll und die Stimmung bestens. Toll, wie sehr man sich hier auf die Musik konzentriert. Selbst abseits der Tanzfläche stehen alle in Richtung des DJs. Wer sich unterhalten will, sitzt an den rustikalen Tischen. Keiner geht dem anderen auf die Nerven. Keiner schaut irgendwen doof an. Ungezwungen wird getrunken, getanzt und palavert – egal ob verhalten oder ekstatisch.
Alles wie im Berghain. Bloß ein bisschen kleiner und freundlicher.

Das Astra kostet mittlerweile 50 Cent mehr. Zahl' ich aber gerne und fordere später auch die 1 EUR Pfand nicht zurück, sondern behalte lieber den schmucken Pin mit stilisiertem Meister Lampe.
Der Kippenautomat. Ziggis gibt’s natürlich nur mit EC-Karte – die ich gerade nicht habe, weil sie mir … Aber das interessiert hier eh niemanden.
Unverhofft quatscht mich ein Berliner Bär an, der aggro aussieht, sich aber als plüschig herausstellt. Nein, ich habe nicht mit ihm gekuschelt, aber er erzählt mir, dass er aus Kreuzberg käme und da alles voll krass sei. Wenn einer Stress wolle, gäb’s eins auf die Fresse. Wenn nicht, nicht. Alles klar. Früher, so erzählte er mir, sei er schwul gewesen. Auch OK. Er gibt mir ein Bier aus und geht wieder zu seinen beiden Mädels, bouncen.
Eigentlich alles entspannt und entspannend. Wenn da nicht diese Aufkleber wären: „Jägermeister Rock:Liga.“ En masse und in your face. Ich weiß: Vielen hier ist Jägi der Party-Yogi. Dennoch geht mir der Ausverkauf des Rock’n’Roll an den Kräuterlikör auf den Geist. What’s next? Ritalin Streber:Klub, Durex Gang:Bang, Hakle Scheiß:Drauf? Ich rufe auf zum Schrott-Boykott!
Als ich den Untergrund verlasse, kommt mir ein italienisches Pärchen entgegen. Sie: „Wohin gehen wir?“ Er: „Ins White Rabbit.“ Sie: „Warum?“ Er: „Perché fa figo.“ Weil’s cool ist.