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Interview zur Filmpremiere

Freiburger Reiseblogger über ihren Kinofilm: "So authentisch wie möglich"

Florian Kech
  • Fr, 24. März 2017, 22:00 Uhr
    Freiburg

Dreieinhalb Jahre trampten Gwen Weisser und Patrick Allgaier um die Welt. Eine BZ-Videoserie dokumentierte das Abenteuer. Jetzt kommt ihr Film in die Kinos. Wir trafen das Paar vorab zum Interview.

Gwen Weisser und Patrick Allgaier vor der Badshahi Moschee in Lahore im Januar 2014. Foto: Patrick Allgaier
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Glücklich erschöpft sehen die beiden aus, als sie den Gast an den Frühstückstisch bitten. Bruno, ihr in Mexiko geborener Sohn, ist an diesem Vormittag in der Kita. Seit Gwen Weisser und Patrick Allgaier im vergangenen August von ihrer Weltreise zurückkehrten, arbeiten sie fast jede freie Minute an ihrem Film oder dem Reisemagazin, wenn sie gerade keine Interviews geben müssen. Am 27. März feiert ihre sehr sehenswerte Reisereportage "Weit – Die Geschichte von einem Weg um die Welt" Kinopremiere im Freiburger Friedrichsbau.

BZ: Was war die häufigste Frage, die Ihnen seit der Rückkehr vor acht Monaten gestellt wurde?

Gwen Weisser: Ihr habt bestimmt Fernweh, gell?

Patrick Allgaier: Und, wie ist es wieder zurück zu sein?

BZ: Und wie lautet die Antwort?

Weisser: Fernweh habe ich eher selten. Ich bin eigentlich ganz zufrieden, die Jahreszeiten hier mal wieder mitzukriegen.

Allgaier: Es ist schon auch sehr schön hier.

Weisser: Außerdem haben wir momentan ja einen ziemlich unkonventionellen Alltag.

BZ: Wie sieht der aus?

Weisser: Einer macht was mit Bruno, der andere sitzt am Computer. Abends arbeiten wir dann beide. Wir verbringen momentan super viel Zeit am Projekt.

Allgaier: Wir haben das ein bisschen unterschätzt. Ein halbes Jahr für Film und Magazin war sehr knapp bemessen.

BZ: Worin unterscheiden sich Film und Magazin inhaltlich?

Allgaier: Wir haben zwar viel Filmmaterial, aber wenn es zu privat wurde oder stressig, blieb die Kamera oft aus. Darüber haben wir dann geschrieben.

Weisser: Mir fiel auf, der Film ist super positiv geworden, während im Magazin auch mal die schwierigen Momente vorkommen, die unsere Reise zwar nicht bestimmt haben, die es aber auch gab.

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BZ: Haben Sie durch die Arbeit am Film einen neuen Blick auf die Reise erhalten?

"Wenn ich die Videos sehe, denke ich manchmal: Wahnsinn!, und kann nicht glauben, was wir erlebt haben." Patrick Allgaier
Allgaier: Wenn ich die Videos sehe, denke ich manchmal: Wahnsinn!, und kann fast nicht glauben, was wir erlebt haben, dass wir beispielsweise zehn Wochen im Iran waren. Vor Ort kam uns alles irgendwann normal vor, weil wir in den Alltag eingetaucht sind. Und weil wir so langsam unterwegs waren und uns an alles gewöhnen konnten.

Weisser: Die Schwierigkeit beim Sichten bestand für mich darin, nicht zu vergessen, was noch alles passiert ist. Man muss schon aufpassen, dass die Erinnerung irgendwann nicht nur noch aus Filmbildern besteht.

Allgaier: Auf der anderen Seite sind mir am Bildschirm Szenen aufgefallen, die ich komplett vergessen hatte. Es ist so unglaublich viel passiert in den dreieinhalb Jahren.

Weisser: Und wir waren so unglaublich jung (lacht).

BZ: Der Film zeigt viele herzliche Begegnungen. Zu wie vielen Menschen haben Sie Kontakt gehalten?

Weisser: Mit rund zehn Freunden aus Pakistan, Iran oder Sibirien chatten wir regelmäßig, oder mit Reisenden, die wir unterwegs kennen lernten. Wir haben sie alle zu unserer Filmpremiere eingeladen.

BZ: Hat jemand zugesagt?

Allgaier: Bei den meisten scheitert es leider am Visum. Selbst Amir aus Iran, der mittlerweile an einer Universität in der Schweiz arbeitet, hat Probleme mit der Einreise. Wir helfen ihm gerade, dass er ein Schengen-Visum bekommt.

Weisser: Es ist natürlich auch eine Geldfrage. Wir haben allen angeboten, sie finanziell zu unterstützen. Zwei haben angenommen: Freunde aus Pakistan und Serbien, die inzwischen in Deutschland leben, werden es zur Premiere schaffen.

BZ: Wie viele Stunden Filmmaterial mussten Sie insgesamt auswerten?

Allgaier: Es dürften mindestens 500 Stunden gewesen sein. Bis wir mit dem ganzen Material durch waren, sind zwei Monate vergangen. Durch die Videoserie, die wir für die BZ produziert hatten, gab es bereits eine grobe Vorauswahl. Das war sehr hilfreich.

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BZ: Wie schwer fiel Ihnen das Aussortieren?

Weisser: Die erste Auswahl war extrem schwierig. Danach war es relativ eindeutig, welche Szenen bleiben und rausfliegen.

Allgaier: Man will die Geschichte einerseits so authentisch wie möglich erzählen und keine Sprünge machen, hat andererseits aber nur zwei Stunden zur Verfügung. Das war die Crux. Im Nachhinein hätten wir auch einen Zweiteiler machen können.

Weisser: Oder einen 28-Teiler für die BZ (lacht).

BZ: Was passiert mit den Unmengen an Restmaterial?

Allgaier: Wir halten ja noch einen Vortrag für die Mundologia. Da werden auch Szenen zu sehen sein, die nicht im Film vorkommen.

BZ: Gab es Momente im Schnitt, in denen Sie hinschmeißen wollten?

Weisser: In der letzten Phase stießen wir schon an Grenzen.

Allgaier: Manchmal sahen wir vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. In Details kannst du dich total verlieren.

Weisser: Deswegen war für uns die Zusammenarbeit mit dem Freiburger Fernsehredakteur Christof Gerlitz sehr wichtig. Er hatte den Blick von außen und konnte sagen, das funktioniert, das funktioniert so nicht.

Wir haben in den dreieinhalb Jahren Reise erleben dürfen, dass es sich lohnt zu vertrauen. Wenn das am Schluss hängen bleibt, hätte der Film viel erreicht. Gwen Weisser
BZ: Wie soll Ihr Film draußen ankommen?

Allgaier: Wir würden dem Kinozuschauer gerne das Gefühl geben, das wir selber hatten in dem Moment der Reise. So haben wir Dialoge immer nur dann übersetzt, wenn auch wir sie verstanden haben. Ansonsten wäre die Situation verfälscht.

Weisser: Bloß keine Inszenierung. Wir sind ja auch nicht losgezogen, um einen Film zu machen. Das ist keine klassische Dokumentation, sondern eher eine Reisereportage, die nebenher entstanden ist.

Allgaier: Einmal stellte ich die Kamera in der kasachischen Steppe auf, als plötzlich zwei Männer ins Bild laufen und uns über unsere Reise ausfragen, ohne dass ihre Köpfe zu sehen sind. Eine meiner absoluten Lieblingsszenen.

Weisser: Wir haben in den dreieinhalb Jahren Reise erleben dürfen, dass es sich lohnt zu vertrauen. Wenn das am Schluss hängen bleibt, hätte der Film viel erreicht.

BZ: Sie werden im Film auch philosophisch. Nach dem Pakistan-Kapitel sagen Sie: "Wir hatten kein Glück, sondern einfach kein Pech." Mit wie viel Naivität sind Sie losgezogen?

Allgaier: Naiv würde ich nicht sagen. Wir hatten ein Urvertrauen und waren neugierig. Und wir hatten einfach große Lust, die Welt nah und direkt zu erleben. Negative Gedanken ließen wir erst gar nicht aufkommen.

Weisser: Natürlich hätte uns nachts im Zelt auch mal jemand überfallen und ausrauben können, aber darüber haben wir nicht nachgedacht. Mit Bruno hat sich mein Angstgefühl dann aber verändert. Man trägt als Eltern einfach eine viel größere Verantwortung.

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Der Film ist nicht politisch, er ist persönlich. Patrick Allgaier
BZ: Hat Ihr Film eine politische Botschaft?

Weisser: Als es zu Beginn der Reise in unserem Blog einige Diskussionen im Gästebuch gab, hat eine Bekannte gemeint: Ihr seid ja nicht losgezogen, um die Welt zu retten. Wir hatten nie die Absicht, ein politisches Thema draus zu machen.

Allgaier: Der Film ist nicht politisch, er ist persönlich.

BZ: Ganz sicher?

Allgaier: Wir waren meistens zu nah dran an den Menschen, um von Politik etwas mitzubekommen. Was wir aber feststellten: Der Alltag in Tokio, Pakistan oder Freiburg sieht zwar anders aus, aber das Grundgefühl von Heimat ist fast überall auf der Welt sehr ähnlich.

BZ: Mein Eindruck nach den 120 Minuten war ja: Da spaziert ein Paar um die Welt, zeigt, wie spielerisch und heiter sich kulturelle Unterschiede überwinden lassen, während gleichzeitig Grenzen dicht gemacht werden und sogar über neue Mauern diskutiert wird. Ich finde, da steckt schon eine politische Botschaft drin.

Weisser: Vielleicht wirkt das so, da Politik plötzlich so greifbar ist, auch in Freiburg. Wir begegnen dem Schicksal von Geflüchteten jeden Tag im Bus. Es ist total nah. Und der Film geht im Prinzip den umgekehrten Weg. Wir gehen raus in andere Länder, zu den Menschen. Und dadurch wirkt es irgendwie politisch, obwohl es eigentlich nur um ein Miteinander geht, was doch die Basis für unsere Welt sein sollte.

Allgaier: Dieses Gefühl des Miteinanders hat vor allem auch das Trampen mit sich gebracht. Das war eine wahnsinnig starke Kulturerfahrung. Du steigst ein und sofort beginnt Kommunikation – mal auf Englisch, mal mit Händen und Füßen; mal führt man tiefe philosophische Gespräche, mal scheitert man schon beim Namen; und manchmal lacht man einfach nur und hat wahrscheinlich eine halbe Stunde aneinander vorbeigeredet. Es ist einfach cool, wie offen die Leute sind uns von sich erzählen. Gleichzeitig habe auch ich noch nie so viel über meine Heimat erzählt wie auf der Reise.

BZ: Und vermutlich gelernt.

Weisser: Mehr als zuhause.

Allgaier: Zu Beginn der Reise hatten wir die Länder oft mit der Heimat verglichen. Irgendwann merkt man, dass diese Bewertungen nach schlechter, schöner, leckerer überhaupt keinen Sinn machen.

BZ: Und irgendwann schmeckt dann auch Haferschleim mit kasachischem Schafskäse.

Allgaier (lacht): Das schmeckt besser als es klingt.

BZ: Sie haben Ihren Film und das Magazin vorfinanziert durch Crowdfunding. Wie lief das ab?

Allgaier: Als wir zurückkamen, haben wir zunächst einmal überlegt: Interessiert das überhaupt jemanden. Von daher war Crowdfunding nicht nur finanziell wichtig, sondern auch als Feedback.

Weisser: Die Kampagne lief phantastisch mit Unterstützern aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz. So kam weit mehr Geld zusammen, als ursprünglich geplant. Aber wir hatten das Budget auch viel zu knapp bemessen und brauchten von den 32 000 Euro jeden einzelnen Cent.

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Nachdem wir an Ostern 2013 aufgebrochen sind, haben viele meiner Klassenkameraden angefangen zu studieren. Die Reise war unser Studium. Gwen Weisser
BZ: Am 27. März hat Ihr Film Premiere im Freiburger Friedrichsbau. Wie haben Sie Ihre Tour organisiert?

Weisser: Wir waren eher unkonventionell. Normalerweise regelt das der Filmverleih für einen. Wir dagegen haben einfach um die sechzig E-Mails an Kinos verschickt und angeboten, dass wir jeweils zur Filmvorführung dazukommen um danach Fragen aus dem Publikum beantworten zu können.

Allgaier: Der Film macht jetzt seine eigene Reise. Mal gucken, wo es hingeht.

BZ: Hatten Sie mal Sorge, dass der Film nicht pünktlich fertig wird?

Allgaier: Wir wussten, dass es eng werden wird.

Weisser: Nachdem wir an Ostern 2013 aufgebrochen sind, haben viele meiner Klassenkameraden angefangen zu studieren. Die Reise war unser Studium. Neulich habe ich mit einer Freundin telefoniert und gesagt: Mist, wir werden mit dem Film wohl erst kurz vor der Premiere fertig. Daraufhin meinte sie nur, das sei bei Bachelorarbeiten eben so üblich.

BZ: Was kommt nach der Tour?

Weisser: Wir haben auf der Reise gelernt, dass wir gar nicht so weit voraus planen wollen. Vielleicht reisen wir nochmal nach Georgien oder nach Mexiko, bevor Bruno in die Schule kommt. Wir würden uns freuen, wenn wir ein Jahr lang von dem Film leben könnten.

Allgaier: Ich will unbedingt mal wieder eine Woche zelten gehen. Das würde sicher auch Bruno gefallen. Wir haben so intensiv in der Natur gelebt. Jetzt sitze ich manchmal am PC, schaue aus dem Fenster und denke: Ah, es regnet schon seit ein paar Stunden. Auf der Reise haben wir das schon beim ersten Tropfen gespürt.
Zu den Personen

Patrick Allgaier ist 33 Jahre alt und hat vor der Weltreise in Freiburg als freier Kameramann gearbeitet, zuerst bei TV Südbaden und dann für verschiedene Produktionsfirmen.

Gwen Weisser ist 24 Jahre alt, hat Abitur an der Waldorfschule in Freiburg-St. Georgen gemacht und vor der Weltreise gejobbt. In Mexiko kam im Mai 2015 Sohn Bruno auf die Welt.

Kinotourdaten für die Region

27., 29.03.17 bis 05.04.17 täglich um 19 Uhr im Friedrichsbau Freiburg

So. 02.04.17 um 11:15 Uhr im Friedrichsbau Freiburg mit Regiebesuch

Mo. 03.04.17 um 20 Uhr im Löwen-Lichtspiele Kino Kenzingen

Di. 04.04.17 um 18 Uhr im Löwen-Lichtspiele Kino Kenzingen mit Regiebesuch

Do. 13.04.17 um 19 Uhr im Joki-Kino Bad Krozingen mit Regiebesuch

Fr. 14.04.17 um 17 Uhr im Krone-Theater Neustadt mit Regiebesuch

Mo. 17.04.17 um 17 Uhr und um 19 Uhr im Kronenlichtspiele Kino Triberg mit Regiebesuch

Fr. 21.04.17 um 19 Uhr in der Gemeindehalle Offnadingen/Ehrenkirchen mit Regiebesuch

Fr. 21.04.17 um 20 Uhr im Free Cinema Lörrach in Kooperation mit Nelli Nashorn

Sa. 22.04.17 um 19 Uhr im Free Cinema Lörrach in Kooperation mit Nelli Nashorn mit Regiebesuch

So. 23.04.17 um 13 Uhr zum Filmfrühstück im Free Cinema Lörrach in Kooperation mit Nelli Nashorn

Mehr zum Thema:

Ressort: Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 25. März 2017: PDF-Version herunterladen

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