Film der Woche: Der Vorleser

Fr, 27. Februar 2009 um 17:21 Uhr

Michael Berg ist fünfzehn, als er Ende der 50er-Jahre der Mittdreißigerin Hanna Schmitz begegnet. Zwischen beiden entwickelt sich eine Affäre für einen Sommer, in der sie die Spielregeln bestimmt: Er darf erst mit ihr schlafen, nachdem er ihr vorliest. Es ist seine erste große Liebe, für seine Klassenkameraden interessiert er sich nicht, bis er eines Tages in Hannas leerer Wohnung steht. Sie ist sang- und klanglos verschwunden.
Erst als Jurastudent sieht er sie zufällig wieder: Vom Zuschauerraum eines Prozesses aus, in dem sie mit anderen ehemaligen Aufseherinnen angeklagt ist, 300 jüdische Frauen und Kinder während eines Gewaltmarsches nach der Räumung des KZ Auschwitz in einer brennenden Kirche eingeschlossen zu haben.

Neben diesem schrecklichen lüftet sich für Michael auch ein profanes Geheimnis während der Verhandlung: Seine frühere Geliebte ist Analphabetin. Dieser Umstand ist ihr perverserweise noch peinlicher als ihre tatsächliche Schuld am Massaker, weshalb sie lieber die juristische Hauptverantwortung für das Verbrechen übernimmt als den Bildungsmangel zuzugeben. Michael kann sich zwar nicht dazu durchringen, sie zu entlasten, beschließt aber Jahre später, ihr Kassetten ins Gefängnis zu schicken, auf denen er ihr wieder die Bücher des gemeinsamen Sommers vorliest.
Kate Winslet leistet tatsächlich außergewöhnliches: Ihre Hanna ist glaubwürdig, dabei aber stets hinreichend unsympathisch. Dieses handwerkliche Niveau darf man allerdings auch erwarten von einer Schauspielerin mit jahrzehntelanger Erfahrung.

Schlicht atemberaubend ist hingegen David Kross: Man glaubt ihm die ehrliche, adoleszente Liebe zur schroffen Hanna ebenso wie jedes einzelne Stadium des Erkennens, Erschreckens und Verzweifelns während der Wiederbegegnung der beiden. Dabei wirkt keine Geste und kein Gesichtsausdruck erarbeitet, hier ist nicht Handwerk zu sehen, sondern Genie. Die Fallhöhe der Winslett mag höher erscheinen, aber Kross riskiert ungleich mehr: Hatte Winslet zuvor schon fünf Oscar-Nominierungen, so sieht er grade mal auf fünf Filme zurück.
Ralph Fiennes als rückblickenden Erzähler einzusetzen, lockert den Fluss der Geschichte auf und ist gewiss eine gute Idee. Einzig das Ende des Films ist ein wenig zu rund und kitschig geraten, zehn Minuten weniger Nachspiel hätten einen stärkeren Eindruck hinterlassen und währen der lakonischen Erzählweise der Vorlage besser gerecht geworden.
Einen Mangel hat der Film ausschließlich fürs deutsche Publikum: Es irritiert enorm, deutsche Schauspieler mit den bekannten, eigenen Stimmen – aber eben nicht lippensynchron zu hören.

Anspruch

Gagdichte

Action

Schauspielerische Leistung

Story

Kamera

Informationsgehalt

Musik


