Gastbeitrag
Die Musikerin Zweatlana zieht aus Freiburg weg, weil die Wohnungsnot sie frustriert

Fr, 28. Februar 2020 um 12:42 Uhr
Ich habe mich im Mai 2019 dazu entschieden, aus Leipzig wieder zurück nach Freiburg zu ziehen. Untergekommen bin ich erst mal in Zwischenmiete-Wohnungen und bei Freunden. Alles Übergangslösungen, bis ich eine eigene Wohnung finde. Jetzt, über neun Monate später habe ich immer noch nichts gefunden.
Ich habe nicht einmal Antworten bekommen. Das einzige Angebot war ein ekelhaft übergriffiger Anruf, ob ich mir "Wohnen gegen erotische Gegenleistungen" vorstellen kann. Danke dafür, fühlt sich scheiße an, sowas auch nur gefragt zu werden.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram anEin von @ zweatlana geteilter Beitrag am Feb 25, 2020 um 11:57 PST
Ich bin in Freiburg geboren und habe seit 2011, bis auf ein Jahr in Leipzig, auch hier gelebt und gearbeitet. Dazu muss man wissen, dass ich Musikerin bin, selbstständig von Zuhause arbeite, mit meiner Hündin zusammenlebe und kein geregeltes Einkommen habe. Anscheinend der Worst Case jeder vermietenden Person.
Dass ich nichts gefunden habe, ist frustrierend, wirft für mich aber vor allem Fragen auf: Wenn ich hier schon keine Wohnung finde, wie geht es dann Personen deren Familienstand, Einkommen, Name, Herkunft oder vermeintlich mangelnde Sprachkenntnisse den Vermietern noch weniger passen?
"Mein Problem ist, dass sich Freiburg nach außen so wahnsinnig gerne mit diesem jungen, alternativen, diversen Image schmückt, während es hintenrum genau diesen Strukturen wahnsinnig schwer gemacht wird."
Viele Vermieter gehen sehr offen damit um, dass sie auf keinen Fall Kinder in ihrer Wohnung haben möchten, geschweige denn Haustiere und es ist auch kein Geheimnis, dass Anfragen, die nicht in perfektem Beamtendeutsch verfasst sind, weniger Erfolgschancen haben und Personen mit nicht-deutschen Namen sehr viel öfter nicht in die engere Auswahl kommen. Was für ein Stadtbild generiert das?

Wenn man sich diese Anzeigen durchliest möchte man meinen, dass Freiburg nur von Alleinstehenden oder kinderlosen, weißen Akademikerpärchen – ohne Haustiere natürlich – mit geregeltem überdurchschnittlichen Einkommen, sauberer Schufa und der freudigen Bereitschaft, jegliche private Information über sich preiszugeben, bewohnt werden möchte.
Ich weiß, dass das kein freiburgspezifisches Problem ist – der Wohnungsmarkt ist in sehr vielen Städten eine Katastrophe. Mein Problem damit ist, dass sich Freiburg nach außen so wahnsinnig gerne mit diesem jungen, alternativen, diversen Image schmückt, während es hintenrum genau diesen Strukturen wahnsinnig schwer gemacht wird und die Personen, die diese gestalten, keinen Raum dafür haben.
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Ich möchte mich hier nicht in eine Opferrolle begeben, mir fällt es ehrlich gesagt nicht schwer, von hier wieder wegzugehen nach diesen letzten Monaten. Das Gefühl, hier keinen Platz zu haben, ist nämlich auch nicht schön. Es ist auch alles andere als verwunderlich, dass das schon sehr viele andere Künstlerinnen und Künstler, Kulturschaffende oder einfach nur Personen, die das Geld nicht haben, vor mir getan haben und vermutlich auch nach mir tun werden.

500 bis 600 Euro Warmmiete
Ich bin nur ein Beispiel und habe schon das riesige Glück, dass ich finanziell unterstützt werde – als Musikerin in den Startlöchern verdient man leider oft nicht viel. Mit Unterstützung, Nebenjob und Gagen kann ich mir also eine Wohnung mit maximal 500 bis 600 Euro Warmmiete leisten und wenn ich überhaupt so ein Angebot finde, bekomme ich keine Antwort – zudem dieser Preis über 50 Prozent meines Einkommens verschluckt, fun I know.
Ich bin nun seit Februar nicht mehr in Freiburg und werde ab März in Leipzig wohnen – wo ich im Übrigen innerhalb von zwei Wochen eine Wohnung gefunden habe, dort habe ich schon einmal gelebt und fühle mich wohl. Natürlich ist auch dort die Gentrifizierung in vollem Gang und ich bin Teil davon. Der Unterschied ist aber, dass man noch mitgestalten kann, in welche Richtung sich die bewegen wird.
Lösung: Ehrlichkeit wäre ein Anfang
Es gibt viele phantastische Kulturschaffende, Künstlerinnen und Künstler, Musikerinnen und Musiker, Veranstalterinnen und Veranstalter sowie Veranstaltungsorte, die einen schwierigen und wichtigen Job machen, um Freiburg interessant und vielfältig zu gestalten. Danke dafür! Ich kann mir meinen Platz darin leider trotzdem nicht leisten.
Lösungsansätze für diese Problematik zu bieten ist ziemlich schwer, ohne grundsätzlich unser Eigentumsrecht und den Kapitalismus in Frage zu stellen. Ein Anfang wäre aber in jedem Fall schon mal Ehrlichkeit: Wenn sich die Stadt schon mit diesem Image schmücken möchte und davon profitiert, dann unterstützt auch genau diese Strukturen, die dazu beitragen, dass es in Freiburg ein vielfältiges Kulturangebot gibt. Viele davon sind nämlich nicht wegen der grandiosen Kulturpolitik sondern trotz dieser entstanden.

Ob ich je zurückkommen werde weiß ich nicht. Vielleicht, wenn ich irgendwann soviel Kohle hab, dass ich mir den Luxus leisten kann, in einer Altbauwohnung in der Wiehre zu leben und jeden Tag mit meinem E-Bike zu Alnatura zum Einkaufen zu fahren. Freiburg wird mir sicher auch ein bisschen fehlen, vor allem einige liebe Menschen, der Schwarzwald und die flächendeckende Präsenz von Brezeln. Aber ich bin ja auch nicht aus der Welt und die Aufbackbrezeln von Aldi sind auch ok.
- Instagram: @zweatlana