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Netzkultur

Wie ein syrischer Youtuber mit Deutschland-Klischees spielt

  • Sa, 18. März 2017, 08:13 Uhr
    Freiburg

Abdul Abbasi spielt auf seinem Youtube-Kanal "German Lifestyle" mit Stereotypen über Deutschland – und Syrien. Am Donnerstagabend war er zu Gast an der Albert-Ludwigs-Universität.

Abdul Abbasi erläutert syrische Perspektiven.  | Foto: Michael Bamberger
Abdul Abbasi erläutert syrische Perspektiven. Foto: Michael Bamberger
Wie verabschieden sich Deutsche nach einem Treffen? Der eine Kumpel sagt Tschüss zum anderen und geht. Und Syrer? Der eine will los, der andere protestiert, redet auf ihn ein, überhäuft ihn mit Essen und zieht ihn an den Beinen zurück in die Wohnung, es ist ja noch längst nicht alles aufgegessen. So macht sich Videoblogger Abdul Abbasi lustig über den deutschen Alltag – und den syrischen.

Vor drei Jahren kam Abdul Abbasi nach Deutschland

Abdul Abbasi hat eine kleine Präsentation in die Uni-Aula mitgebracht. Ein Foto zeigt ihn mit Kanzlerin Angela Merkel. "Diese Frau wollte unbedingt ein Selfie mit mir machen...", sagt er. Locker steht der 22-Jährige am Pult, er spricht fließend Deutsch. Vor drei Jahren ist er nach Deutschland gekommen, vor anderthalb Jahren gründete er mit seinem Kumpel Allaa Faham den Youtube-Kanal "GLS – German Lifestyle". In kurzen Sketchen und Szenen spielen sie mit den Stereotypen von Deutschland und Syrien.

Helga Kotthoff, Professorin für Sprachwissenschaft, hat Abbasi eingeladen zur internationalen Konferenz "Mehrsprachigkeit in Gesellschaft, Politik und Bildung". Sie sagt: "Komik leistet etwas im Wechsel der Kulturen – man witzelt über Beobachtungen in der Mehrheitsgesellschaft und bewitzelt gleichzeitig auch die eigene Herkunftskultur." Nur passiere das normalerweise in einer "Ingroup" von Migranten, nicht in der Öffentlichkeit. Aber genau da will Abdul Abbasi hin, die kurzen Videos sind mal auf Deutsch, mal auf Arabisch – und in der jeweils anderen Sprache untertitelt.

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"Mich haben Leute aufgenommen, ich habe mir Mühe gegeben, sie haben sich Mühe gegeben, dann haben wir uns eingemischt", sagt er. Abbasi ist in Aleppo aufgewachsen und hat dort Abitur gemacht, dann floh die Familie vor dem Krieg und dem Regime erst nach Ägypten, dann nach Libyen. "Ich wollte immer studieren", erzählt er. Er schlug sich alleine in die Türkei durch und bewarb sich um ein Studentenvisum für Deutschland. "Als die Frau von der Botschaft mit der Zusage anrief, konnte ich auf Deutsch nur ein paar Schimpfwörter und den Satz ‚Ich liebe dich‘. Sollte ich sie beschimpfen? Also habe ich ‚Ich liebe dich‘ gesagt. Da war es erst mal still im Telefon."

Der Trick mit der Schokolade

Inzwischen studiert er Zahnmedizin in Göttingen – und dreht Videos. Zum Beispiel über die Szene mit seinem Mitbewohner Thomas, der ihm Schokolade anbot. "Ich habe Nein gesagt. Da hat er einfach ‚Na gut‘ geantwortet und ist wieder gegangen. Das war ein Kulturschock für mich!" Denn natürlich wollte er die Schokolade unbedingt, aber in Syrien sei es eben höflich, sich erst zehn mal zu wehren, ehe man sich doch nötigen lässt. "Ich habe mich dann vor den Spiegel gestellt und geübt zu sagen: ‚Danke, ich will!‘"

"Stand-up-Comedy mit Infos" nennt Abdul Abbasi das, was er macht. Auf Facebook hat "German Lifestyle" über 100 000 Fans, Abbasi und Allaa Faham treten inzwischen auch live auf und engagieren sich in verschiedenen Projekten, im Dezember 2016 erhielten sie die Integrationsmedaille der Bundesregierung. Als voriges Jahr nach dem terrorverdächtigen Syrer Dschaber al-Bakr gesucht wurde, übersetzten sie den Fahndungsaufruf auf Arabisch und teilten ihn über die Sozialen Netzwerke. "So wie andere auch", sagt Abbasi, "weil wir als Gesellschaftsmitglieder Zivilcourage zeigen müssen." Im Fall der in Freiburg getöteten Maria drückte er in einem sehr ernsthaften Video seine Betroffenheit und sein Mitgefühl aus und warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft.

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Abbasi erzählt auch, wie er sich bei Anne Will mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann über den Umgang mit Flüchtlingen stritt. Ihm gehe es um Anerkennung: "Wir wollen normal sein und nicht als eine Gruppe mit engen Grenzen gesehen werden". Er hat einen Facebook-Kommentar mitgebracht, den er danach bekam: "Hauen Sie doch ab in ein arabisches Land, wenn Ihnen unsere Politiker wie Herr Herrmann nicht gefallen", hat jemand geschrieben. "Der hat Angst vor mir, vor dieser Unbekanntheit", sagt er. "Das musst Du aber nicht. Du kannst vielleicht ein bisschen Angst vor meiner Mutter haben, das habe ich manchmal auch, aber doch nicht vor mir."
Die syrischen Videoblogger Abdul Abbasi und Allaa Faham haben "Fünf Sachen, die ich in Deutschland liebe" gesammelt

1. Mülltrennung

2. Schnellredende am Telefon, dass man keinen Sprachkurs mehr braucht

3. Beim Arzt bekommt man frühestens in sechs Monaten einen Termin

4. Die AfD ("Arbeit für Die Flüchtlinge")

5. Das Wetter ("ich bleibe mehr zu Hause und habe weniger Freunde")

Und: "Was ich wirklich an Deutschland liebe ist, dass ich frei bin, dass ich meine Meinung äußern kann. Ich fühle mich nicht wegen meiner Worte von irgendeiner Gruppe bedroht. Ich liebe es, dass ich meine Träume verwirklichen kann, dass ich mit geringem Geld an den besten Unis Europas studieren kann. Und natürlich die Mülltrennung."

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Ressort: Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Sa, 18. März 2017: PDF-Version herunterladen

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