Film der Woche: So ist Paris

Fr, 18. Juli 2008 um 17:28 Uhr

Pierre (Romain Duris), eben noch erfolgreicher Varietétänzer, ist lebensgefährlich am Herzen erkrankt. Aus diesem traurigen Anlass findet wenigstens seine alleinstehende Schwester Elise samt ihrer drei Kinder wieder seine Nähe. Er sehnt sich nach der schönen Studentin aus dem Appartement auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Die Studentin hingegen vertreibt sich die Zeit mit einem Kommilitonen und ihrem Professor, der sie mit Baudelaire-Gedichten per SMS eroberte und darüber den Verstand zu verlieren droht. Sein Bruder, erfolgreicher Architekt und bald Vater, sorgt sich, er könne zu „normal“ sein, eine Gefahr, die den vier Jungs vom Wochenmarkt sicher nicht droht, wenn sie steinreiche Fashion-Ladies im Gabelstapler durch die Kühlhäuser chauffieren. Ganz andere Sorgen haben die marokkanischen Klienten der Sozialarbeiterin Elise.

Wir lachen, leiden und lernen verschiedenes über Tanz: 1. Sobald ein Mann zum ersten Mal gesiezt wird, sollte er sich eine strikte No-Dance-Policy zulegen (ausgenommen Profitänzer) 2. Es ist nie zu früh, zum ersten Mal Pogo zu tanzen. 3. Es ist nie zu spät, zu Musik zu strippen (ausgenommen alle Menschen außer Juliette Binoche.)
Wir lernen über Erotik: 1. Fremd-abgeturnt-sein ist ebenso leicht wie fremdschämen. 2. Rinderhälften werden als Kulisse unterschätzt. 3. Gegen unglückliche Liebe kommt kein Sexappeal der Welt an.

Cédric Klapisch und Romain Duris feierten ihren ersten großen Erfolg gemeinsam mit „L’auberge espagnole“. Trotz der Popularität seines „Xavier“ aus der katalanischen Studenten-WG gibt der sichtbar gereifte Duris ab der ersten Sekunde den Pierre glaubwürdig.
Wo Kitschgefahr besteht, entschärft Klapisch die Postkartigkeit der schönsten Ecken Paris durch eine zwischengeschaltete TV-Präsentation oder einen Kommentar seines Personals: „Wir benehmen uns wie Touristen.“ Seine Figuren lernen wir teilweise nur oberflächlich kennen, doch das passt: Der Film feiert nicht den Tiefgang sondern das alltägliche Glück, am Leben sein zu dürfen – idealerweise in Paris. Dabei vermeidet er dennoch jede Paolo-Coelhoisierung, teilt treffend gegen einige Klischees aus und bedient andere: Entgegen Woody Allens Weisheit ist zum Beispiel nicht Manhattan, sondern Paris die wirkliche Hauptstadt der Psychotherapie – aber natürlich auch die Stadt der Liebe.
Einen Architekten im Traum durch seine Pappentwürfe laufen zu lassen, ist zwar deutlich von Michel Gondrys „Science of Sleep“ inspiriert, aber eine würdige Fortentwicklung der Idee. Obwohl Paris hier sehr viel weniger in Szene gesetzt wird als Barcelona in „L’auberge espagnole“, ist die Stadt nicht weniger wichtig für die Geschichte, die auch als Fremdenverkehrswerbung funktioniert. Ebenso wie als Antidepressivum.

Anspruch

Gagdichte

Action

Spannung

Schauspielerische Leistung

Story

Kamera

Informationsgehalt

Musik

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