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Der Troll, das sind wir

Birgit Voggeser

Von Birgit Voggeser

Do, 18. September 2014

fudder

Warum benehmen sich Menschen im Internet so schlecht? Eine Psychologin erklärt Trolle, Flaming und mögliche Gegenmittel.

Wer den Browser öffnet und in die Kommentare auf Nachrichten-Websites, Blogs oder auf Facebook guckt, muss nicht lange suchen, bis er sie findet: Trolle lauern im Internet fast überall. Die Psychologin Birgit Voggeser, Fachfrau für Trolle, erklärt, warum online so oft und ausufernd gestritten wird.

Was machen Trolle eigentlich?
Trolle sind Personen, die andere Leute online nur um des Ärgerns willen ärgern. Sie sind in die Gespräche, die sie stören, nicht inhaltlich involviert. Stattdessen wollen sie unsinnige Meinungen möglichst glaubhaft präsentieren und die Gesprächsteilnehmer dazu bringen, sich durch aufbrausende Emotionen unglaubwürdig zu machen. Ein geschickter Troll geht dabei möglichst subtil vor, damit den Beteiligten nicht auffällt, dass sie gerade getrollt werden – bis dann ordentlich die Fetzen fliegen. Damit hat der Troll sein Ziel erreicht.

Was treibt Trolle an?
Eine Gruppe kanadischer Forscher hat zwei Studien zur Persönlichkeit dieser Online-Trolle durchgeführt, um mehr über die Triebfedern ihres Verhaltens herauszufinden. Der Fokus lag dabei auf der sogenannten "Dunklen Tetrade" der Persönlichkeit, den vier negativen Persönlichkeitsfacetten Sadismus, Machiavellismus, Psychopathie und Narzissmus. Die Ergebnisse zeigen, dass Personen, die der Troll-Philosophie zustimmen, vermehrt sadistische Neigungen haben. Die Autoren schließen daraus, dass das Phänomen des Trollens eine Art online ausgelebter Alltags-Sadismus ist.

Warum lassen Trolle uns ausrasten?
Es sind nicht die Trolle, die verbal entgleisen, andere User beschimpfen und sogar bedrohen. Wären die Zielpersonen der Trolle nicht bereit, sich zu streiten und fremden Leuten Beleidigungen an den virtuellen Kopf zu werfen, würde Trolling überhaupt nicht funktionieren. Anders als beim Trolling geht es in diesen Auseinandersetzungen um das Thema, nicht um das Triezen. Und viele Online-User gehen gerade bei Meinungsfragen auch ganz leicht ohne Trolle an die Decke. Dieses Phänomen des Online-Schimpfens wird als Flaming bezeichnet und wird in der psychologischen Forschung unter anderem als "Toxic Online Disinhibition Effect" – als toxischer Online-Enthemmungs-Effekt – untersucht.

Ist das Internet schuld?
Bislang werden unterschiedliche Eigenschaften des Internets als Gründe für dieses weit verbreitete Verhalten gehandelt. Die Anonymität von Internetnutzern wird meist als Erstes aufgeführt. Sie ist nach den Ergebnissen einer vergleichenden Studie der israelischen Forscher Noam Lapidot-Lefler und Azy Barak aber nicht der Hauptgrund, sondern führt manchmal sogar dazu, dass sich Leute online besser benehmen. Als wichtiger hat sich der fehlende Blickkontakt zwischen Gesprächspartnern herausgestellt. Wenn Blickkontakt das einzige ist, was zwei Personen, die online miteinander kommunizieren, nicht haben – sie kennen den echten Namen und können den Gesprächspartner per Kamera vorm PC sitzen sehen – dann werden sie sich mit größerer Wahrscheinlichkeit streiten.

Neben dem Blickkontakt fehlen bei Online-Interaktionen auch alle anderen Formen der sogenannten non-verbalen Kommunikation: Mimik, Gestik, Tonfall, Blickrichtung und Körperhaltung. Dieser Mangel an Kontext führt zu Missverständnissen und löst uns von den unmittelbaren Rückmeldungen darüber, ob das, was wir gerade gesagt haben, angemessen ist. Außerdem treffen im Internet Meinungen aufeinander, die sonst durch unterschiedliche Freundeskreise und Interessen getrennt bleiben. Diese "Echo-Kammer" bricht auf, unterschiedliche Meinungen prallen aufeinander, und es kommt zu Streit. Dies geschieht besonders auf Plattformen mit vielen Nutzern unterschiedlicher Hintergründe, wie zum Beispiel bei Nachrichten-Websites.

Da die eigene Meinung gewöhnlich an der eigenen Identität hängt, und die eigene Identität wiederum von den Gruppen, zu denen man sich zugehörig fühlt, mitbestimmt wird, wird sich auch häufig um und wegen Gruppenzugehörigkeit gestritten. Ob diese Gruppe dann die Nationalität, das Geschlecht, die Sportmannschaft oder die Partei ist, wird dabei fast schon zur Nebensache.

Wird Online mehr

geschimpft als Offline?
Auch wenn nicht belegt ist, dass Online mehr geschimpft wird als Offline, ist dennoch klar, dass mehr Leute über längere Zeit betroffen sein können: Posts bleiben stehen, das Internet vergisst nicht so schnell. Studien einer Forschergruppe um die US-Amerikanerin Ashley Anderson haben ergeben, dass nicht nur Beschimpfte, sondern sowohl Schimpfende als auch unbeteiligte Leser sich nach dem Schimpfen oder dem Lesen der Schimpfereien schlechter fühlen als davor. Demnach ist jeder Täter auch Opfer. Niemand gewinnt – und dennoch schlägt fast jeder Online mal über die Stränge.

Wie geht Troll-Prävention?
Aber was kann nun gegen das Schimpfen getan werden, wenn je nach Thema jeder ein potentieller Schimpfer ist? Seitens der Plattformen, die Kommentar- oder Postfunktionen anbieten: Transparente Moderation, Aufklärung und viele gute Beispiele liefern. Jeder selbst: Darauf achten, was man schreibt. Sich selbst den Kommentar nochmal laut vorlesen, und am besten gar nicht posten, wenn man nichts Positives zu sagen hat: Don't feed your inner troll!

Birgit Voggeser, 30, erforscht seit drei Jahren an der Abteilung für Wirtschaftspsychologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg bei Prof. Dr. Anja Göritz "disinhibiertes Verhalten in Online-Kommunikation".


Ressort: fudder

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Do, 18. September 2014:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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